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Unternehmenskrisen – Zur Haftung von Geschäftsleitern


Die COVID-19-Pandemie stellt viele Unternehmen und UnternehmerInnen vor große Herausforderungen: Lieferengpässe, Umsatzrückgänge und damit einhergehend Verschlechterungen der Finanzkennzahlen sowie Liquiditätskrisen drohen. Geschäftsführer und Vorstände (ebenso wie Einzelunternehmer) treffen - trotz fehlenden Verschuldens - in einer solchen Situation zahlreiche Pflichten, deren Verletzung auch eine persönliche Haftung nach sich ziehen kann. Nachstehend finden Sie Antworten zu den am häufigsten gestellten Fragen:

1. Muss ich mich als Geschäftsführer/Vorstand laufend über die aktuellen Entwicklungen hinsichtlich COVID-19 informieren?

Ja – „information is key“. Angesichts der derzeitigen Entwicklungen gilt sogar noch mehr als im gewohnten Alltag das Gebot, sich up to date über wirtschaftliche und rechtliche Entwicklungen zu halten. Die externe Lage sollte daher permanent beobachtet werden, um die drohenden wirtschaftlichen und rechtlichen Konsequenzen bestmöglich einschätzen zu können. Die interne Lage des Unternehmens bedarf ebenso einer ständigen Überwachung, um Krisenfaktoren schnellstmöglich erkennen und entsprechende Maßnahmen ergreifen zu können. Wegen der sich aktuell rasant ändernden Gesetzeslage drohen ansonsten empfindliche Verwaltungsstrafen (so drohen etwa Inhabern von Betriebsstätten, die mittels Verordnung nach dem COVID-19-Maßnahmengesetz von einer Betriebsschließung betroffen sind, Verwaltungsstrafen von bis zu EUR 30.000,00 bzw Freiheitsstrafen von bis zu sechs Wochen, wenn diese Betriebsstätte dennoch betreten werden kann) und können (etwa aufgrund insolvenzrechtlicher Bestimmungen) Haftungen eintreten.

2.  Welche Haftungen können Geschäftsführer/Vorstände in der aktuellen Situation treffen?

Geschäftsleiter müssen bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes (GmbH-Geschäftsführer) bzw die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters (AG-Vorstand) anwenden. Handeln sie sorgfaltswidrig (handeln sie also nicht so wie ein ordentlicher Geschäftsmann das in dieser Situation sollte), machen sie sich haftbar. Dabei ist auch die Business Judgement Rule anzuwenden. Die Haftung besteht grundsätzlich gegenüber der Gesellschaft zur ungeteilten Hand („Innenhaftung“ ), im Ausnahmefall kann aber auch eine Haftung gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft bestehen („Außenhaftung“).

3. Welche Haftungen können Geschäftsführer/Vorstände in der aktuellen Situation in Bezug auf Abgaben und Sozialversicherungsbeiträge treffen?

In der aktuellen Situation treten bei vielen Unternehmen Probleme mit dem Cash-flow auf. Daraus ergeben sich Liquiditätsengpässe und Verbindlichkeiten können nicht mehr erfüllt werden. Gerade hinsichtlich der Zahlung von Abgaben und Sozialversicherungsbeiträgen ist erhöhte Vorsicht geboten. Können diese auf Grund einer schuldhaften Pflichtverletzung der Geschäftsleiter nicht mehr eingebracht werden, haften diese persönlich und unbeschränkt für die Rückstände. Wesentlich für die Haftung ist, ob die ausständigen Abgaben/Beiträge im Vergleich zu anderen Verbindlichkeiten bei der Bezahlung gleichbehandelt wurden. Ist absehbar, dass nur ein Teil der fälligen Zahlungen getilgt werden kann, empfiehlt sich zur Vermeidung einer Haftung, Abgaben und Beiträge zumindest im gleichen Maß (Prozentsatz) zu bezahlen wie andere Verbindlichkeiten und detaillierte Aufzeichnungen über die Gleichbehandlung aller Gläubiger zu führen.

Zu den Möglichkeiten, Zahlungen zu stunden bzw Steuererleichterungen zu beantragen, siehe auch unseren Beitrag betreffend Bilanz- und Steuerrecht.

4. Welche Pflichten treffen Geschäftsführer/Vorstände bei drohender Zahlungsunfähigkeit?

Geschäftsführer und Vorstände (zusammen die „Geschäftsleiter“) von Kapitalgesellschaften sind verpflichtet, bei Vorliegen von Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu beantragen. Dies hat schnellstmöglich zu erfolgen, muss jedoch längstens binnen 60 Tagen nach dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit bzw der Überschuldung ohne positiver Fortbestehensprognose erfolgen.

Durch das (im 2. COVID-19-Gesetz enthaltene) 1. COVID-19-JuBG wurde durch die Ergänzung der Worte „Epidemie, Pandemie“ in § 69 Abs 2a IO klargestellt, dass sich die Frist zur Antragstellung bei einer durch die Folgen der COVID-19-Pandemie ausgelösten Zahlungsunfähigkeit/Überschuldung auf 120 Tage verlängert.

Nach § 9 2.COVID-19-JuBG ist die Insolvenzantragspflicht bei einer bloßen Überschuldung ausgesetzt, wenn diese zwischen 01.03.2020 und 31.01.2021 eingetreten ist. Auch auf Antrag eines Gläubigers kann in diesem Zeitraum keine Insolvenz wegen (bloßer) Überschuldung eröffnet werden. Ist das Unternehmen bei Ablauf des 31.01.2021 (noch immer) überschuldet, so ist die Insolvenzeröffnung ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber innerhalb von 60 Tagen nach Ablauf des 31.01.2021 oder 120 Tagen nach Eintritt der Überschuldung zu beantragen. Maßgeblich ist jene Frist, die später endet. Insolvenzanträge wegen Zahlungsunfähigkeit sind davon aber nicht betroffen (siehe Näheres in unserem Beitrag zum Insolvenzrecht).

Wird diese Frist nicht eingehalten, machen sich Geschäftsleiter persönlich und betraglich unbegrenzt haftbar für Schäden, die durch die verspätete Antragstellung entstanden sind. Zahlungsunfähigkeit wird vermutet, wenn 95% der fälligen Schulden nicht in jedem Moment bezahlt werden können. Ausgenommen davon ist eine bloße „Zahlungsstockung“. Für deren Vorliegen muss der Schuldner Zahlungen jedoch in „angemessener“ Frist erledigen können. Die Beurteilung, ob eine Zahlungsstockung oder Zahlungsunfähigkeit vorliegt ist im Einzelfall zu prüfen. Im Zweifel sollten Rechtsexperten zur Beurteilung herangezogen werden.

Zu beachten gilt es, dass innerhalb der Insolvenzeröffnungsfrist (egal ob 60 oder 120 Tage) Sanierungsmaßnahmen gesetzt werden müssen, die Eröffnung eines Sanierungsverfahrens in Eigenverwaltung muss „sorgfältig betrieben“ werden. Geschäftsleiter müssen also unverzüglich proaktiv reagieren und möglichst rechtliche Beratung in Anspruch nehmen, um sinnvolle Sanierungsmaßnahmen vorzubereiten.

Positiv hervorzuheben ist: Durch das 2. COVID-19-Gesetz wurde § 733 ASVG eingefügt. Nach dessen 3. Absatz sollen in den Monaten März, April und Mai 2020 (gemeint wohl: von den Sozialversicherungsträgern) keine Insolvenzanträge wegen der Nichtentrichtung bereits fälliger Beiträge gestellt werden. Zwar wurde für die darauffolgenden Monate bis Dezember 2020 keine Aussetzung der Insolvenzanträge vorgesehen, doch können dem Dienstgeber gemäß § 733 Abs 8 ASVG für Beiträge für die Beitragszeiträume Mai bis Dezember 2020 auf Antrag bis zu drei Monate Stundungen und bis längstens Dezember 2021 Ratenzahlungen gewährt werden, wenn glaubhaft gemacht wird, dass diese Beiträge wegen der Coronavirus-Pandemie aus Gründen der Unternehmensliquidität nicht entrichtet werden können.

Geschäftsleiter von prüfpflichtigen Unternehmen haben zu beachten, dass auch das 2. COVID-19-Gesetz die Pflichten nach dem URG nicht hinausschiebt oder gar aussetzt. Demnach kann weiterhin eine Haftung eintreten, wenn bei Vorliegen der Voraussetzungen nach § 22 Abs 1 Z 1 URG – Eigenmittelquote weniger als 8% und fiktive Schuldentilgungsdauer mehr als 15 Jahre – kein Reorganisationsverfahren beantragt wird.

5. Kann/darf ich weiterhin Gewinne aus dem Geschäftsjahr 2019 ausschütten?

Eine sogenannte „Ausschüttungssperre“ kann den Anspruch eines Gesellschafters auf Gewinnausschüttung begrenzen. Wenn sich etwa die Vermögenslage der Gesellschaft zwischen dem Bilanzstichtag und der Feststellung des Jahresabschlusses erheblich und voraussichtlich nicht bloß vorübergehend verschlechtert, ist der eingetretene Verlust zu ermitteln und vom Bilanzgewinn abzuziehen. In der Folge darf nur die Differenz an die Gesellschafter ausgeschüttet werden (siehe § 82 Abs 5 GmbHG).

Werden allfällige Gewinne trotz einer bestehenden Ausschüttungssperre an die Gesellschafter ausgezahlt, kann dies dazu führen, dass die Geschäftsleiter haften. Im Aktienrecht ist keine mit § 82 Abs 5 GmbHG vergleichbare Regelung enthalten, eine analoge Anwendung der Ausschüttungssperre wird aber vielfach angenommen.

Teilweise ist wirkt sich auch die Inanspruchnahme von Staatshilfen aus den COVID-19-Maßnahmenpaketen auf mögliche Gewinnausschüttungen aus. Gemäß der Verordnung des Bundesministers für Finanzen gemäß § 3b Abs. 3 des ABBAG-Gesetzes betreffend Richtlinien über die Ergreifung von finanziellen Maßnahmen, die zur Erhaltung der Zahlungsfähigkeit und zur Überbrückung von Liquiditäts-schwierigkeiten von Unternehmen im Zusammenhang mit der Ausbreitung des Erregers SARS-CoV-2 und den dadurch verursachten wirtschaftlichen Auswirkungen geboten sind besteht bei Inanspruchnahme finanzieller Unterstützung die Verpflichtung, sich einem Dividenden- und Gewinnauszahlungsverbot vom 16.3.2020 bis zum 16.3.2021 zu unterwerfen und die Dividenden- und Gewinnausschüttungspolitik für die verbleibende Laufzeit der finanziellen Maßnahmen „maßvoll“ auszuüben.

5. Wie können Geschäftsführer/Vorstände persönliche Haftungen vermeiden?

Wie erwähnt müssen Geschäftsleiter bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anwenden. Dabei gilt: „information is key“. Die Geschäftsleiter sollten primär sicherstellen, dass die Kommunikation im Unternehmen gewährleistet ist, damit Entwicklungen sofort in die Planung aufgenommen werden können. Mangelnde Kommunikation kann zur (fahrlässigen) Missachtung von gebotenen Handlungsweisen und damit in der Folge zu Haftungen führen.

Die Liquiditätsplanung muss zwangsläufig angepasst werden, da bei Kunden Zahlungsausfälle erwartet werden müssen, Fixkosten aber weiterhin anfallen (siehe jedoch zum möglichen Entfall von Mietkosten unseren Beitrag zum Mietrecht). In Folge sind auch die Umsatzerwartungen neu einzuschätzen. Entsprechend können auch noch nicht veröffentlichte Jahresabschlüsse (samt Lageberichten) anzupassen sein. Bei Emittenten können die Entwicklungen die Pflicht zur Ad-hoc-Publizität auslösen, dies ist auf Grund der drohenden Verwaltungsstrafen genau zu prüfen.

Im Zusammenhang mit Gewinnausschüttungen ist die Liquiditätssituation des Unternehmens ebenso zu berücksichtigen wie die (geplante) Inanspruchnahme von COVID-19-Unterstützungen. Eine allenfalls bereits beschlossene Gewinnausschüttung sollte im Zweifel vorerst nicht bzw in geringerem Maß durchgeführt werden.

Jahresabschlüsse müssen weiterhin rechtzeitig aufgestellt (siehe bezüglich der Ausdehnung der diesbezüglichen Fristen Punkt 1. unseres Beitrags zum Gesellschaftsrecht) bzw deren Aufstellung in Auftrag gegeben werden, andernfalls droht bei der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens binnen der kommenden zwei Jahre eine weitere persönliche Haftung je Geschäftsleiter von bis zu EUR 100.000,00 nach dem Unternehmensreorganisationsgesetz (URG). Diese Haftung besteht unabhängig von den insolvenzrechtlichen Haftungsbestimmungen.

Besonders aktuelle verwaltungsrechtliche Änderungen müssen im Auge behalten werden, um Verwaltungsstrafen zu vermeiden. Geschäftsleiter sollten sich deshalb etwa über die neuesten Entwicklungen in Bezug auf Betriebseinschränkungen und Betriebsschließungen informieren und auch allfällige Maßnahmen in Bezug auf Einschränkungen des Warenverkehrs beachten.

Wegen der Haftung zur ungeteilten Hand im Innenverhältnis sind Ressortverteilungen bei der Haftung unbeachtlich. Ein ständiger Austausch zwischen den Geschäftsleiterkollegen sollte daher sichergestellt werden. Unabhängig von möglicher Genehmigungsvorbehalten der Gesellschafter (etwa im Gesellschaftsvertrag), sollten Geschäftsleiter diese möglichst intensiv in die Entscheidungsfindung einbeziehen (siehe bezüglich der Möglichkeit von „virtuellen“ Gesellschafterversammlungen die Punkte 7. und 8. unseres Beitrages zum Gesellschaftsrecht), hat die Geschäftsführung der GmbH die Generalversammlung doch grundsätzlich einzuberufen, wenn es das Gesellschaftswohl erfordert (§ 36 Abs 2 GmbHG).

Bei der Innenhaftung gilt eine Beweislastumkehr zu Lasten der Geschäftsleiter, diese müssen also beweisen, dass sie die gebotenen Sorgfaltsplichten nicht schuldhaft verletzt haben. Die verstärkte Dokumentation von Geschäftsvorgängen, im Besonderen in Bezug auf Zahlungsvorgänge und bei erteilten Weisungen, ist daher sinnvoll.

Wird der Geschäftsleiter wegen der Nichtentrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen gemäß § 67 Abs 10 ASVG in Anspruch genommen (Ausfallhaftung), kann sich dieser freibeweisen, in dem er die Gleichbehandlung des Beitragsgläubiger gegenüber Dritten darlegt. Dies gelingt nur, wenn detaillierte Aufzeichnungen über die Zahlungsvorgänge im relevanten Zeitraum nachweisen, dass stets eine gleichmäßige Befriedigung erfolgt ist bzw diese nur unverschuldet unterlassen wurde (bereits leichte Fahrlässigkeit führt zur Haftung). Die gewissenhafte Dokumentation von Zahlungsvorgängen und der diesbezüglichen Entscheidungsfindung sind deshalb von großer Bedeutung um einer Haftung zu entgehen.

Auch das Unterlassen vorvertraglicher Aufklärungspflichten über die voraussichtliche Insolvenzreife kann eine persönliche Haftung zur Folge haben. Bei künftigen Vertragsverhandlungen sollte daher darauf geachtet werden, dass der Vertragspartner über die eigene finanzielle Situation möglichst informiert ist.

Sonstige Fragen:

Gerne beraten wir detailliert zu den oben angeführten Fragen sowie zu sämtlichen juristischen Themen im Zusammenhang mit dem Coronavirus. Unsere Experten in den Bereichen Unternehmens- und Gesellschaftsrecht sowie Insolvenzrecht und Unternehmensreorganisation stehen in dieser wie auch jeder sonstigen insolvenz- und gesellschaftsrechtlichen Angelegenheit telefonisch oder unter akut@hnp.at gerne zur Verfügung.

Disclaimer:

Dieser Beitrag stellt lediglich eine allgemeine Information dar und ersetzt keine Rechtsberatung. Haslinger / Nagele übernimmt keinerlei Haftung für Inhalt und Richtigkeit dieses Beitrages.
(Stand: 19.11.2020, 08:00 Uhr)
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