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Illustration 360° Erneuerbare Energie

Peer-to-Peer-Verträge: Strom von mir zu dir!?


Autoren: Johannes Hartlieb, Alexander Gimona

Ein zentrales Ziel des neuen Elektrizitätswirtschaftsgesetzes (ElWG) ist die Förderung der Rechte der Eigenversorger und Verbraucher zur aktiven Teilnahme am Energiemarkt. Dabei sieht das kommende Gesetz einen Paradigmenwechsel vor: Während die einfache Stromverschiebung bisher die Gründung einer Gemeinschaft erforderte, soll dies in Zukunft auch rein vertraglich möglich sein, z.B. unter Nachbarn. Das dafür eingesetzte Instrument nennt sich passenderweise „Peer-to-Peer-Vertrag“ (P2P-Vertrag). Die Grundlagen dafür liegen im EU-Recht.

Rechtlicher Rahmen

Der Entwurf des ElWG sieht folgende Definition von P2P-Verträgen vor:

Der Verkauf oder die Schenkung von erneuerbarer Elektrizität zwischen Marktteilnehmern auf Grundlage eines Vertrags mit vorab festgelegten Bedingungen für die automatische Abwicklung und Abrechnung der Transaktion, die entweder direkt zwischen den Beteiligten oder auf indirektem Weg über einen dritten Marktteilnehmer, beispielsweise einen Aggregator, erfolgt.

Definition von P2P-Verträgen

Das Gesetz stellt klar, dass es sich bei P2P-Verträgen um Verträge über die gemeinsame Energienutzung handelt. Damit schlagen alle Unklarheiten, die mit der gemeinsamen Energienutzung verbunden sind und die wir bereits dargestellt haben, auch auf P2P-Verträge durch.

Abgrenzung zu anderen Modellen

Peer-to-Peer-Verträge sind von Direktleitungen und von der gemeinsamen Energienutzung (§ 61 ElWG) abzugrenzen. Während Direktleitungen physische Leitungsverbindungen voraussetzen und gemeinschaftliche Modelle wie Energiegemeinschaften stärker auf Kooperation und geteilte Infrastruktur ausgerichtet sind, ermöglichen Peer-to-Peer-Verträge einen vertraglich organisierten, individualisierten Stromhandel innerhalb des Netzes.

Chancen und Potenziale

  • Österreichweiter Handel: Im Gegensatz zu anderen Varianten der gemeinschaftlichen Energienutzung bestehen für P2P-Verträge keine geografischen Einschränkungen; der Strom kann österreichweit gehandelt werden.
  • Keine Rechtsperson: P2P-Verträge können ohne die Gründung eines Vereins oder einer Gesellschaft durchgeführt werden.
  • Keine Obergrenze: P2P-Verträge sind auch mit einer Vielzahl an Vertragspartnern denkbar.
  • Dezentralisierung des Energiemarktes: Verbraucher können direkt vom Nachbarn, einer regionalen PV-Anlage oder einem Windpark Strom beziehen.
  • Stärkung erneuerbarer Energien: Der direkte Handel kann Preissignale setzen, die Investitionen in erneuerbare Erzeugung fördern.
  • Kostentransparenz und Flexibilität: Standardisierte Vertragsbedingungen und digitale Abrechnungssysteme erleichtern Transaktionen, müssen aber freilich erst aufgesetzt werden.
  • Neue Geschäftsmodelle: Aggregatoren oder Plattformbetreiber können als Dienstleister auftreten und P2P-Handel für breite Nutzergruppen öffnen, analog zu zahlreichen Dienstleistern für Energiegemeinschaften.

Herausforderungen und offene Fragen

Trotz des neuen Rechtsrahmens bleibt der Gesetzesentwurf zurückhaltend, womit die praktische Umsetzung Fragen aufwirft:

  • Die Rechte und Pflichten der als Endkundinnen und Endkunden, Erzeuger, Lieferanten oder Aggregatoren beteiligten Parteien bleiben vom Recht auf Peer-to-Peer-Verträge unberührt. Die Vertragspartner haben damit regulatorische Verpflichtungen zu beachten, was das Modell insgesamt unattraktiv machen kann.
  • Abgrenzung zum Lieferantenstatus: Es ist offen, ab wann eine Vielzahl von Peer-to-Peer-Verträgen den Anbieter in die Nähe einer klassischen Lieferantentätigkeit bringt. Eine pauschale Ausnahme sieht das Gesetz nicht vor.
  • Technische Infrastruktur: Automatisierte Abwicklung setzt intelligente Messsysteme und digitale Plattformen voraus. Die dafür notwendige technische Infrastruktur muss teilweise erst geschaffen werden.
  • Regulatorische Einbettung: Peer-to-Peer-Verträge müssen mit Marktregeln, Bilanzgruppen und Abgaben (z. B. Systemnutzungsentgelte) in Einklang stehen. Diesbezüglich ist die Regulierungsbehörde E-Control am Zug.

Ausblick

Mit dem ElWG wird erstmals ein gesetzlich definierter Rahmen für Peer-to-Peer-Verträge geschaffen. Ob diese in der Praxis den erhofften Schub für dezentrale Energieversorgung bringen, hängt wesentlich von der Regulierung im Detail und der technischen Umsetzung ab. Klar ist: Der direkte Stromhandel könnte zu einem wichtigen Element der Energiewende werden – gerade auf lokaler Ebene.

Disclaimer

Dieser Beitrag stellt lediglich eine allgemeine Information dar und ersetzt keine Rechtsberatung. Die Haslinger / Nagele Rechtsanwälte GmbH übernimmt keinerlei Haftung für Inhalt und Richtigkeit dieses Beitrages.

Autoren

Porträtfoto Alexander Gimona, Juristischer Mitarbeiter Haslinger/Nagele, Portrait von Julia Spicker

Alexander Gimona

Juristischer Mitarbeiter

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16. Oktober 2025

 
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