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In Umsetzung der Europäischen Restrukturierungsrichtlinie liegt der Entwurf eines Bundesgesetzes (Restrukturierungs- und Insolvenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz – RIRL-UG) zur Begutachtung bis 06.04.2021 vor. Ein Inkrafttreten ist für 17.07.2021 geplant, um der von der EU-Richtlinie geforderten Umsetzungsfrist gerecht zu werden.
Der Entwurf der Restrukturierungsordnung sieht ein gerichtliches Restrukturierungsverfahren vor, welches im Wesentlichen neben Kapitalgesellschaften und Personengesellschaften auch Einzelpersonen, die ein Unternehmen betreiben, offensteht.
Kernstück des Verfahrens ist ein sogenannter Restrukturierungsplan, der eine weitgefasste Palette möglicher Restrukturierungsmaßnahmen, darunter insbesondere die Stundung und Kürzung von Gläubigerforderungen, enthält. Der Restrukturierungsplan ist grundsätzlich bei Einleitung des Verfahrens vorzulegen; er kann aber auch während des Verfahrens unter Beiziehung eines Restrukturierungsbeauftragten erstellt werden, wenn im Antrag zumindest ein Restrukturierungskonzept vorgelegt wird.
Ziel des Verfahrens ist die Abwendung der Insolvenz und die Sicherstellung der Bestandfähigkeit des Unternehmens.
Die Einleitung des Verfahrens setzt „wahrscheinliche Insolvenz“ voraus, welche insbesondere gegeben ist, wenn
Trotz Bestandsgefährdung muss Bestandsfähigkeit gegeben sein, weshalb eine Fortbestehensprognose verlangt wird, die auch bedingt, also von der Annahme und Bestätigung des Restrukturierungsplans abhängig sein kann.
Im Gegensatz zu einem gerichtlichen Insolvenzverfahren bietet der Entwurf der Restrukturierungsordnung keine Prozesssperre, wohl ist aber auf Antrag des Schuldners bei Erfüllung näher definierter Voraussetzungen eine Vollstreckungssperre durch das Gericht anzuordnen. Diese Vollstreckungssperre kann alle Gläubiger umfassen; dann ist sie öffentlich in der Ediktsdatei bekannt zu machen. Diese Publikmachung kann in der Weise verhindert werden, dass sie über Antrag des Schuldners vom Gericht auf einen oder mehrere Gläubiger oder Gläubigerklassen, auf bestimmte Forderungen oder Forderungskategorien etc. eingeschränkt wird. Die Vollstreckungssperre führt weiters zu einem Ruhen der Insolvenzantragspflicht des Schuldners bei eingetretener insolvenzrechtlicher Überschuldung, beschränkt die Insolvenzantragspflicht bei eingetretener Zahlungsunfähigkeit und bewirkt auch einen Entfall bzw. zumindest eine Reduktion der Haftung der Gesellschaftsorgane für Insolvenzverschleppung.
Grundsätzlich ist die Abführung des Verfahren mit Eigenverwaltung des Schuldners möglich; es wird im Regelfall aber ein Restrukturierungsbeauftragter, der hinsichtlich seiner Rechtstellung einem Insolvenzverwalter angenähert ist, bestellt werden. Die Aufgabenbefugnis des Restrukturierungsbeauftragten wird im Wesentlichen vom Gericht definiert; es muss dem Schuldner aber ein Mindestmaß an Eigenverwaltung verbleiben, etwa die Vornahme von Rechtshandlungen des gewöhnlichen Unternehmensbetriebes im Sinne des § 171 Abs 1 IO.
Der Entwurf der Restrukturierungsordnung sieht für wesentliche, noch zu erfüllende Verträge, die für die Weiterführung des täglichen Betriebs des Unternehmens erforderlich sind einen „legal standstill“ vor. Es gibt aber keine bevorzugte Vertragsauflösung von Dauerschuldverhältnissen entsprechend den Bestimmungen der §§ 21ff IO, also etwa von langfristigen Lieferverträgen, Miet- Leasing- oder sonstigen Bestandverträgen. Weiters sind bestehende und künftige Forderungen derzeitiger oder ehemaliger Arbeitnehmer vom Restrukturierungsverfahren ausgeschlossen. Konsequenterweise gibt es auch keine bevorrangten Auflösungsmöglichkeiten von Arbeitsverträgen im Sinne des § 25 IO.
Der Entwurf der Restrukturierungsordnung sieht auf Basis der Vorgaben der EU-Richtlinie zwingend die Bildung von Gläubigerklassen vor, welche insbesondere
umfassen. Lediglich KMUs (im Sinne des § 221 Abs 1 und 1a UGB) sind nicht verpflichtet Gläubigerklassen zu bilden.
Für den Abschluss des Restrukturierungsplanes bedarf es in erster Linie
Das Gericht hat dem Restrukturierungsplan bei Erfüllung näher definierter Voraussetzungen dann die Bestätigung zu erteilen, wenn die Gläubigermehrheit in jeder Gläubigerklasse erreicht wird. Dabei werden die Interessen der überstimmten Gläubiger durch das Kriterium des Gläubigerinteresses geschützt, wonach kein ablehnender Gläubiger schlechter gestellt werden darf als im Liquidationsfall oder im Fall des nächstbesten Alternativszenarios bei Nichtbestätigung des Restrukturierungsplanes (z.B. bei Zustandekommen eines realistischen Sanierungsplanes in einem gerichtlichen Insolvenzverfahren).
Auch wenn eine Zustimmung aller Gläubigerklassen nicht erreicht wird, kann der Plan aufgrund eines klassenübergreifenden cram-downs bestätigt werden. Dabei wird dem Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung insofern Genüge getan, als ablehnende Gläubigerklassen entweder gleichrangigen Klassen gleichgestellt oder besser als nachrangige Klassen gestellt werden müssen.
Die rechtskräftige Bestätigung des Restrukturierungsplanes bewirkt die Aufhebung des Verfahrens. Ein Scheitern des Restrukturierungsverfahrens führt zu dessen Einstellung, welche insbesondere zu erfolgen hat, wenn
Die Bestätigung des Restrukturierungsplanes kann zwar mittels Rekurses angefochten werden; diesem kommt aber keine aufschiebende Wirkung zu. Vielmehr soll eine Aufhebung der Bestätigung des Restrukturierungsplanes vermieden werden und dem geschädigten Gläubiger Ersatz für seinen Ausfall zuerkannt werden.
Der Entwurf sieht auch ein vereinfachtes Restrukturierungsverfahren vor
Diese Variante soll vor allem dann Anwendung finden, wenn das Einstimmigkeitserfordernis bei einem außergerichtlichen Ausgleich an einem oder wenigen Gläubigern („Ausgleichstörer„) gescheitert ist.
Die Anerkennung des Restrukturierungsverfahrens als Europäisches Restrukturierungsverfahren ist nur bei Veröffentlichung in der Ediktsdatei möglich. Ein solches Europäisches Restrukturierungsverfahren kann bei Sachverhalten mit wesentlichem Auslandsbezug durchaus Sinn machen.
Flankierend sieht der Entwurf eine Beschränkung des Anfechtungsrisikos für Zwischen- und Neufinanzierungen vor.
Grundsätzlich stellt der vorliegende Entwurf der Restrukturierungsordnung eine legistisch sehr gelungene Umsetzung der einschlägigen EU-Richtlinie dar, welche sich in wesentlichen Punkten harmonisch in das bisherige Insolvenzrecht einfügt. Der Erfolg in der Praxis wird unseres Erachtens im Wesentlichen davon abhängen, ob es gelingt, das Verfahren nur unter Beiziehung der Stakeholder, sohin nicht öffentlich abzuführen, weil vergleichbare „Vorgängerverfahren“ (wie das durch das Insolvenzrechtsänderungsgesetz 1982 normierte Insolvenzvorverfahren oder das Verfahren nach dem Unternehmensreorganisationsgesetz) vor allem an der damit verbundenen Publizität scheiterten. Bei entsprechender Gestaltung und Beratung durch einen Experten erscheint eine Publizitätsbeschränkung auf die Stakeholder aber realistisch. Nicht unwesentlich wird das Verhalten der Gläubigerschutzverbände sein, welche am Verfahren zwar nur bei Bevollmächtigung durch einen Gläubiger teilnehmen, aber nach ihren Statuten die Interessen aller Mitglieder zu verfolgen haben.
Abschließend sei nochmals darauf verwiesen, dass es sich lediglich um einen Begutachtungsentwurf einer Restrukturierungsordnung handelt, welcher vor Gesetzwerdung noch in wesentlichen Punkten abgeändert werden kann.
Für die Beantwortung von Fragen zu diesen Themen stehen Ihnen unsere Experten Thomas Kurz und Michael Haiböck gerne telefonisch oder unter akut@hnp.at zur Verfügung.
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