Life Sciences & Gesundheitsrecht
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Autoren: Laura Baumgartner-Viechtbauer und Simon Scherzer
Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in einem aktuellen Erkenntnis (VwGH 26.06.2025, Ro 2023/13/0020) mit der Frage auseinandergesetzt, ob auch Prokuristen zum Kreis der in § 9 Abs 1 BAO genannten und in §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter gehören. Laura Baumgartner-Viechtbauer und Simon Scherzer haben sich für Sie genauer mit diesem Thema auseinandergesetzt.
Nach § 80 BAO trifft die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen die Verpflichtung, alle Pflichten der vertretenen Gesellschaft zu erfüllen, insbesondere auch dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den von ihnen verwalteten Mitteln entrichtet werden.
Vertreter, die die auferlegten abgabenrechtlichen Pflichten nicht erfüllen, können nach § 9 BAO persönlich zur Haftung herangezogen werden. Demnach haften die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter – neben dem abgabepflichtigen Unternehmen – für dessen Abgaben, wenn diese infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können. Aus § 9 leg cit lassen sich daher vier Voraussetzungen ableiten:
Im alltäglichen Sprachgebrauch wird die Haftung nach § 9 BAO als sog. „Geschäftsführerhaftung“ bezeichnet. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob auch ein Prokurist – obwohl in §§ 80 ff BAO nicht ausdrücklich genannt – als Vertreter im Sinne des § 9 BAO qualifiziert und damit potenziell persönlich haftbar ist.
Der von einer Haftung nach § 9 BAO umfasste Personenkreis der Vertreter beschränkt sich nicht bloß auf Geschäftsführer, sondern ist wesentlich weiter. In seiner Rechtsprechung setzte sich der VwGH im Detail damit auseinander, dass als Haftende nach § 9 BAO auch die in §§ 80 bis 83 BAO genannten Personengruppen in Betracht kommen. Hierzu zählen nicht nur gesetzliche Vertreter, sondern auch bevollmächtigte Personen. Denn die §§ 80 bis 82 BAO regeln vorwiegend die gesetzliche Vertretung. Demgegenüber betreffen §§ 83 und 84 BAO die gewillkürte Vertretung – hierzu zählt auch die Prokura.
Das entspricht der Absicht des historischen Gesetzgebers: Auch in früheren Abgabenordnungen war die Haftung nicht auf gesetzliche Vertreter beschränkt. Grundsatz war stets, dass sowohl gesetzliche Vertreter als auch Bevollmächtigte für die Pflichten der vertretenen Personen herangezogen werden können. Mit der Einführung der BAO sollte diese Möglichkeit – wenn auch nur als Ausfallhaftung – ausdrücklich beibehalten werden. So heißt es in den Materialien zur BAO: „Die bisher im § 109 AO den gesetzlichen Vertretern und sonstigen Bevollmächtigten auferlegte Haftung wegen schuldhafter Verletzung ihrer Pflichten soll übernommen, jedoch auf eine Ausfallhaftung beschränkt werden.“
In der Praxis bedeutet dies, dass Prokuristen persönlich und unbeschränkt zur Haftung für Abgabenschulden und den damit in Zusammenhang stehenden Nebenansprüchen (zB Säumniszuschlägen) herangezogen werden können. Dazu werden sie mit Haftungsbescheid (§ 224 BAO) in Anspruch genommen.
Die Haftung nach § 9 BAO ist als sog. Ausfallhaftung konzipiert. Das bedeutet, Vertreter nach §§ 9 iVm 80 ff BAO haften nur, wenn die Abgaben beim abgabepflichtigen Unternehmen (Primärschuldner) nicht eingebracht werden können und die Uneinbringlichkeit auf eine schuldhafte Pflichtverletzung des Vertreters zurückzuführen ist. Uneinbringlichkeit liegt vor, wenn Vollstreckungsmaßnahmen erfolglos waren oder voraussichtlich erfolglos bleiben würden. Erst bei Feststehen der Uneinbringlichkeit, kann die Haftung geltend gemacht werden.
§ 9 BAO spricht von einer Haftung „neben“ dem Primärschuldner. Das bedeutet, dass die Abgabenbehörde auf den Haftenden neben dem Primärschuldner greifen kann, schließt aber nicht aus, dass der Vertreter auch allein zur Haftung herangezogen wird – etwa, wenn der Primärschuldner nicht mehr existiert (zB bei aufgelösten Gesellschaften).
Der Prokurist kann sich nur dann der Haftung entziehen, wenn er nicht schuldhaft gehandelt hat. Die Rechtsprechung geht aber von einer qualifizierten Mitwirkungs- und Offenlegungspflicht des potentiell haftenden Prokuristen aus (VwGH 24.06.2021, Ra 2021/16/0014). Es besteht daher eine Nachweispflicht, dass keine pflichtwidrige Handlung gesetzt wurde. Gelingt dieser Nachweis nicht, darf die Abgabenbehörde eine Pflichtverletzung annehmen (Beweislastumkehr). Für die Praxis bedeutet das: Prokuristen haben dafür Sorge zu tragen, dass sie ihr pflichtgemäßes Handeln jederzeit nachweisen können. Sie sollten interne Kontrollsysteme einrichten oder bestehende überprüfen, um sicherzustellen, dass steuerrechtliche Pflichten zuverlässig eingehalten werden.
Dieser Beitrag stellt lediglich eine allgemeine Information dar und ersetzt keine Rechtsberatung. Die Haslinger / Nagele Rechtsanwälte GmbH übernimmt keinerlei Haftung für Inhalt und Richtigkeit dieses Beitrages.


30. Oktober 2025









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