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Illustration 360° Erneuerbare Energie

ElWG-Check 2.0: Der neue Gesetzesentwurf im Überblick


Autoren: Johannes Hartlieb, Mario Laimgruber, Alexander Gimona

Lange wurde es mit Spannung erwartet. Letzten Freitag war es dann soweit: Das neue Elektrizitätswirtschaftsgesetz (Entwurfsfassung, Stand 03.07.2025) wurde in die vierwöchige Begutachtung geschickt. Bescheiden beschreibt es der zuständige Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer als die größte Strommarktreform der letzten 20 Jahre.

Sozialtarif, Spitzenkappung und flexible Netzentgelte sind nur einige der Schlagwörter, die seit letztem Freitag durch die (sozialen) Medien geistern. Die Erwartungen sind hoch. Die Energiewende soll beschleunigt, die Versorgungssicherheit gewährleistet und die Stromkosten gesenkt werden. Aber was steckt wirklich im neuen ElWG? Wir haben den Entwurf auf Herz und Nieren geprüft.

Die größte Strommarktreform der letzten 20 Jahre.

BM Hattmannsdorfer

Eckpunkte

Der Entwurf steht klar im Zeichen der EU-Energiekrisen-Reaktionen: Der „Clean Industrial Deal“ und die jüngst novellierten EU-Richtlinien zum Strombinnenmarkt fordern tiefgreifende Reformen. Das neue ElWG zielt darauf ab, die Dekarbonisierung zu forcieren, Verbraucherrechte zu stärken und die Marktregeln an ein zunehmend dezentrales System anzupassen.

Folgende Neuerungen sind besonders relevant:

  • Flexible Tarife und Netzentgelte: Stromtarife werden künftig vielfältiger. Endkunden haben das Recht auf Lieferverträge mit dynamischen Preisen (Spotmarkt-orientiert) oder fixen Energiepreisen – beides verpflichtend im Angebot großer Anbieter. Zusätzlich können sie einen Aggregierungsvertrag (§ 23) abschließen, um etwa Flexibilität in Verbrauch oder Erzeugung zu vermarkten. Auch bei den Netzentgelten tut sich einiges: Die bisherigen Entgelte werden neu strukturiert, der viel diskutierten „Spitzenkappung“ (§ 94a) wird ein rechtlicher Rahmen gegeben (z. B. bei Einspeisung aus neuen PV-Anlagen).
  • Der Begriff des Netzzutritts findet sich nicht mehr, es wird einheitlich auf den Netzanschluss verwiesen.
  • Die Bestimmungen zu Regelzonen und Bilanzgruppen werden adaptiert.
  • Intelligente Messung & Verbrauchssteuerung: Intelligente Messgeräte („smart meter“) sollen schneller ausgerollt und umfassender nutzbar werden. Viertelstundenwerte werden zum Standard (mit Opt-Out-Möglichkeit), neue digitale Schnittstellen sollen Kunden und Aggregatoren gleichwertigen Zugang zu Daten verschaffen. Dazu kommen Rechte auf Ratenzahlung (§ 28) und Vorauszahlungszähler (§ 29).
  • Der Anwendungsbereich von Direktleitungen wird erweitert (§ 59).
  • Energiegemeinschaften & gemeinsame Nutzung: Die Rolle von Bürgerenergie wird weiter gestärkt. Peer-to-Peer-Verträge, gemeinsame Nutzung, Speicherung und Verrechnung in Energiegemeinschaften werden rechtlich abgesichert und technisch neu geregelt. Das Ziel: mehr Eigenversorgung, weniger fossile Abhängigkeit – und niedrigere Stromrechnungen durch gemeinsame Anlagen.
  • Die Allgemeinen Netzbedingungen für das Verteilernetz werden nun von der Regulierungsbehörde erstellt (§ 87).
  • Netzinfrastruktur und Versorgungssicherheit: Die Netzbetreiber erhalten mehr Aufgaben und Pflichten. Digitalisierung, Datenplattformen, Flexibilitätsbeschaffung im Verteilnetz, mehr Transparenz und gezielte Einspeisesteuerung neuer PV-Anlagen. Das neue ElWG verpflichtet die Betreiber zur marktgestützten Beschaffung von Flexibilitätsleistungen und definiert neue Verfahren zur Netzreserve.
  • REMIT & Markttransparenz: Die Regeln zur Marktaufsicht werden verschärft. Die Änderungen der EU-Verordnung REMIT werden umgesetzt – mit neuen Pflichten für Marktteilnehmer, mehr Aufsichtsmöglichkeiten und längeren Verjährungsfristen bei Verstößen.
  • Der Netzanschluss erfährt detailliertere Regelungen, beispielsweise zu Netzanschlusspunkt und Netzebene. Auch die Anschlusspflicht wird erweitert (Speicheranlagen).
  • Die Möglichkeit des flexiblen Netzzugangs (§ 96) wird eingeführt, um den Netzanschluss neuer Ökostromanlagen, vor allem von PV-Anlagen, zu erleichtern.
  • Erstmals und endlich wird das „geschlossene Verteilernetz“ (§ 113) gesetzlich geregelt (insbesondere Stromnetze in Industrie- und Gewerbeparks).
  • Nicht zuletzt kommt ein erweiterter Schutz für Haushalte (Sozialtarif & Energiearmut): Ein zentrales Element ist der neue Sozialtarif (§ 36), der einkommensschwachen Haushalten automatisch einen gestützten Strompreis gewährt. Innerhalb eines Verbrauchskontingents von 2.900 kWh zahlen Begünstigte nur den „unteren Referenzwert“. Darüber greift ein Preisdeckel („oberer Referenzwert“). Zudem wird mit dem Energiearmuts-Definitions-Gesetz (EnDG) erstmals ein klarer Rechtsrahmen geschaffen, um betroffene Haushalte statistisch zu erfassen und gezielt zu unterstützen

Fazit

Der Entwurf des ElWG stellt einen ambitionierten und umfassenden Versuch dar, zentrale Herausforderungen der kommenden Energieversorgung – von Versorgungssicherheit über Verbraucherrechte bis hin zu Netzausbau und Bürgerenergie – zu adressieren. Ohne das bestehende System grundlegend infrage zu stellen, schafft das Gesetz innovative Zugänge und lenkt die Transformation des Energiesystems in geregelte Bahnen.

Freilich wird die tatsächliche Umsetzung entscheidend sein, ebenso wie das Endergebnis des parlamentarischen Prozesses. Noch bis Anfang August läuft die Begutachtungsfrist – dann wird sich zeigen, ob diese „größte Strommarktreform seit Jahrzehnten“ breite Zustimmung findet und die notwendige Zweidrittelmehrheit im Nationalrat erreicht.

Wir bleiben jedenfalls an den aktuellen Entwicklungen dran und halten Sie auf dem Laufenden.

Disclaimer

Dieser Beitrag stellt lediglich eine allgemeine Information dar und ersetzt keine Rechtsberatung. Die Haslinger / Nagele Rechtsanwälte GmbH übernimmt keinerlei Haftung für Inhalt und Richtigkeit dieses Beitrages.

Autoren

Johannes Hartlieb

Johannes Hartlieb

Rechtsanwalt
Porträtfoto Mario Laimgruber, Partner Haslinger/Nagele, Portrait von Julia Spicker

Mario Laimgruber

Partner
Alexander Gimona

Alexander Gimona

Juristischer Mitarbeiter

Weitere Informationen zum Rechtsgebiet

 

10. Juli 2025

 
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