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Covid-19 hat die Bauwirtschaft hart getroffen: Nicht nur die anfänglichen Baustopps haben Bauzeiten und -kosten erhöht.
Die erschwerten Begleitumstände wie etwa: Einhaltung der Schutzvorschriften, Einreisebeschränkungen, Verzögerungen in der Lieferkette, Effizienzverluste udgl. haben Baubudgets gewaltig strapaziert. Die gesamten Folgekosten dieser Verzögerungen sind noch kaum abschätzbar, aber die Frage, wer für den Covid-19-Schaden zu haften hat, stellt sich bereits jetzt.
Entscheidend für die ewige Frage „Wer zahlt’s“ ist, was die Parteien vertraglich vereinbart haben. Wurde die Gefahrtragung im Falle einer Pandemie geregelt? Wen sollte das Risiko einer Pandemie treffen? Den Werkbesteller (Bauherrn)? Den Werkunternehmer? Oder beide? Vielfach findet sich in den Verträgen (oder in Allgemeinen Geschäftsbedingungen) keine explizite Regelung zur „Pandemie“, sondern nur eine Standardklausel für „unabwendbare Ereignisse“ bzw Fälle „höherer Gewalt“. Als solche kann auch die Pandemie verstanden werden.
Wurde im Vertrag keine ausdrückliche Regelung zur Pandemie getroffen und fehlen auch Bestimmungen zur höheren Gewalt, gilt entweder (nur) das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (ABGB) oder eine ÖNORM (zum Beispiel ÖNORM B 2110 oder B 2118) – vorausgesetzt, deren Anwendung wurde vereinbart. Wurde letzteres versäumt, bleibt es beim guten alten ABGB, wonach das Risiko der Pandemie tendenziell der Sphäre des Werkunternehmers zugerechnet wird. Die nachteiligen wirtschaftlichen Folgen (vor allem die Verzugsfolgen) sind daher in solchen Konstellationen zumeist vom Werkunternehmer zu tragen. Anderes kann gelten, wenn der Vertrag die gesetzliche Risikozuweisung grundsätzlich abgeändert hat (etwa auch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen). Wurde die Ö-NORM B 2110 oder B 2118 vereinbart, greift eine weitreichende Risikoverschiebung Platz: Diesfalls ist die Zurechnung von unvorhersehbaren/ unabwendbaren Ereignissen in weitem Umfang in die Sphäre des Auftraggebers (= Werkbesteller, Bauherr) verlagert. Diesfalls ist die Covid-Verspätung kein Verzug des Werkunternehmers, sondern das Verhängnis des Bauherrn, dessen Folgen er allein zu tragen hat.
Findige Juristen meinen aber nun, dass auch die guten alten ABGB-Regelungen und die dort vorgesehene Risikotragung des Werkunternehmers gerade für den Fall der COVID-19-Pandemie nicht taugen. So soll es auch ohne konkrete Vereinbarung von Ö-Normen in der COVID-19-Pandemie zum Ruhen der beiderseitigen Vertragspflichten kommen, wodurch man den im Covid-bedingten Verzug befindenden Werkunternehmer keinen Strick aus der Bauverzögerung drehen könnte. Gerichte sind dem aber bislang noch nicht gefolgt, aber wer hätte vor mehr als einem Jahr damit gerechnet, dass auch der Geschäftsraumieter in der COVID-19-Pandemie von der Mietzinszahlung befreit ist?
Man muss kein Prophet sein, um überall dort, wo die Covid-19-bedingten Verzögerungen hohe Schäden verursachen (Bauverzögerungen, Pönalen, Nicht-Einhaltung von Fertigstellungsterminen), vermehrt Bauprozesse (oder gar Insolvenzen) vorherzusagen. Keiner der Beteiligten wird im Vorfeld zugestehen, dass das Risiko der „Seuche“ – wie es in § 1104 ABGB heißt – in seine Sphäre fällt. Unter dem Druck eines Prozesses geraten vermeintliche Gewissheiten häufig ins Wanken: Ein vermeintlich wasserdichter Risikoausschluss kann sich als lückenhaft erweisen und erst recht eine Einfallspforte für die Haftung darstellen. Unter diesem Druck können Ergebnisse entstehen, die weder Gesetz noch ÖNORM vorgesehen haben – wie zum Beispiel die Teilung des Corona-Verspätungsschadens. Wie auch immer diese Prozesse ausgehen mögen. Die Vertragspraxis ist ein lernfähiges System: In künftigen Bauverträgen wird wohl eine Klausel kaum fehlen – jene, die das Seuchenrisiko regelt.
Hinweis: Dieser Beitrag erschien in gekürzter Form in der Zeitschrift Immobilien-Wirtschaft.
Für die Beantwortung weiterer Fragen zu diesem Thema steht Ihnen unsere Expertin Dr. Daniela Huemer aus dem Team Immobilien- und Baurecht gerne telefonisch oder unter akut@hnp.at zur Verfügung.
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