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Neuerliche Lockerung der Insolvenzantragspflicht bei Überschuldung?


Bereits im März 2020 hat der Gesetzgeber diverse insolvenzrechtliche Maßnahmen gesetzt, um die wirtschaftlichen Folgen der COVID-19 Pandemie abzumildern. Neben der Verdoppelung der Insolvenzantragsfrist auf 120 Tage wurde vor allem die Insolvenzantragspflicht bei Überschuldung ausgesetzt, wobei diese Aussetzung nunmehr abermals bis 30. Juni 2021 verlängert wurde (2. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz BGBl. I. Nr. 24/2020 idF BGBl. I. Nr. 48/2021).

Konkret besteht weder eine Verpflichtung des Schuldners, bei Überschuldung einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu stellen, noch eine korrespondierende Berechtigung eines Gläubigers, bei einer im Zeitraum von 01. März 2020 bis 30. Juni 2021 eingetretenen Überschuldung.

Worum geht es?

Für das Vorliegen einer insolvenzrechtlich relevanten Überschuldung müssen kumulativ folgende Voraussetzungen gegeben sein:

  • Zu einem muss ein Vermögensvergleich (Überschuldungsstatus) zu Liquidationswerten negativ ausfallen, was dann der Fall ist, wenn in diesem Status das Aktivvermögen nicht mehr ausreicht, um die Schulden zu decken;
  • Zum anderen muss auch die Fortbestehensprognose negativ

Für den Praktiker ist schnell ersichtlich, dass der Überschuldungsstatus zu Liquidationswerten bei den meisten Kapitalgesellschaften negativ sein wird. Der Überschuldungsstatus soll nämlich die hypothetische Verwertungssituation in einer Insolvenz und zwar im Zerschlagungsfall, abbilden. Damit ist im Regelfall eine wesentliche „Wertevernichtung“ verbunden.

Damit erlangt die Fortbestehensprognose für die Frage der Überschuldungsprüfung wesentliche praktische Bedeutung.

Nach gesicherter Rechtsprechung des OGH ist im Rahmen einer Fortbestehensprognose mit Hilfe

  • sorgfältiger Analyse von Verlustursachen,
  • eines Finanzierungsplans,
  • sowie der Zukunftsaussichten der Gesellschaft

die Wahrscheinlichkeit der künftigen Zahlungsunfähigkeit und damit der Liquidation der Gesellschaft zu prüfen. Dabei sind Auswirkungen geplanter Sanierungsmaßnahmen mit einzubeziehen. Insgesamt ist der Überschuldungstatbestand daher wesentlich ein Prognosetatbestand, der auf die Gefahr künftiger Illiquidität abstellt.

Eine Fortbestehensprognose ist weiters nach herrschender Ansicht bereits bei manifesten Anzeichen einer krisenhaften Entwicklung zu erstellen, wobei die Geschäftsführung einer Kapitalgesellschaft stets die dauernde Fortführbarkeit im Interesse der Gesellschaft im Auge zu behalten hat.

Festzuhalten ist, dass der Eintritt eines negativen Eigenkapitals im Sinne des § 225 Abs 1 UGB jenen Zeitpunkt markiert, zu dem spätestens die Frage nach dem Eintritt der insolvenzrechtlich relevanten Überschuldung zu stellen und damit im Regelfall eine Fortbestehensprognose aufzustellen ist.

Nach dem rechtlich nicht verbindlichen, aber für den Inhalt der Fortbestehensprognose sehr instruktiven Leitfaden Fortbestehensprognose (Fassung März 2016) zerfällt die Prognose in zwei wesentliche Komponenten, nämlich:

  • Primärprognose und
  • Sekundärprognose.

Als Primärprognose ist die Aufrechterhaltung der Zahlungsfähigkeit für die nähere Zukunft glaubhaft nachzuweisen, wobei sich die Erstellung eines Finanzplanes für einen Zeitraum von ca. 12 Monaten empfiehlt.

Der angeführte Leitfaden postuliert darüber hinaus eine Sekundärprognose im Sinne einer nachhaltigen Trendwende der Ertragslage („Turn-Around„). Konkret soll ein positives Unternehmensergebnis in einem betriebswirtschaftlich überschaubaren Zeitraum, sohin spätestens in zwei bis drei Geschäftsjahren erreicht werden.

Wesentlich ist, dass die durch die COVID-19 Gesetzgebung geschaffene Lockerung nur dann Platz greift, wenn die Überschuldung im relevanten Zeitraum (zwischen 01.03.2020 und 30.06.2021) eingetreten ist. Es muss die Überschuldung zwar nicht von der COVID-19 Pandemie verursacht worden sein, sie darf aber nicht bereits vor dem angeführten Zeitraum bestanden haben. War die Unternehmenskrise aber bereits vorher, etwa durch eine nachhaltige Verlustsituation oder sonstige handfeste Krisensymptome manifest, so greift die dargestellte Aussetzung der Insolvenzantragspflicht nicht (!).

Umso mehr besteht die Insolvenzantragspflicht weiter bei eingetretener Zahlungsunfähigkeit, welche dann vorliegt, wenn der Schuldner mangels bereiter Zahlungsmittel nicht in der Lage ist, seine fälligen Schulden zu bezahlen und er sich die erforderlichen Zahlungsmittel voraussichtlich auch nicht alsbald verschaffen kann. In diesem Zusammenhang lässt die aktuelle Judikatur des OGH eine Liquiditätslücke/Unterdeckung von maximal 5 % zu, wenn der Schuldner seine fälligen Verbindlichkeiten

  • binnen drei Monaten mit über 50 %-iger Wahrscheinlichkeit bzw.
  • binnen fünf Monaten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit tilgen kann.

Für die Beantwortung von Fragen zu diesem Thema steht Ihnen unser Experte Thomas Kurz gerne telefonisch oder unter akut@hnp.at zur Verfügung.

Disclaimer

Dieser Beitrag stellt lediglich eine allgemeine Information dar und ersetzt keine Rechtsberatung. Die Haslinger / Nagele Rechtsanwälte GmbH übernimmt keinerlei Haftung für Inhalt und Richtigkeit dieses Beitrags.

(Stand: 06.04.2021, 10:00 Uhr)

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