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Was ist bei Finanzierungsverträgen zu beachten?


Das Coronavirus stellt viele Unternehmen und Unternehmerinnen vor große Herausforderungen: Lieferengpässe, Umsatzrückgänge und damit einhergehende Verschlechterungen der Finanzkennzahlen und Liquiditätskrisen drohen. Da Finanzierungsverträge häufig Regelungen enthalten, die den Kreditgeber bei Verstoß gegen Finanzkennzahlen oder Eintritt wesentlich nachteiliger Auswirkungen zur Kündigung und Fälligstellung der Finanzierung, zu Margenanpassungen oder Forderung verstärkter Sicherheiten berechtigen, ist eine genaue Sichtung der Finanzierungsverträge und ggf. das frühzeitige Gespräch mit dem Kreditgeber zu empfehlen. Nachstehend finden Sie Antworten zu den am häufigsten gestellten Fragen:

Sind Kreditgeber berechtigt, bestehende Finanzierungsverträge zu kündigen?

  • Allgemein gilt, dass ein auf unbestimmte Zeit abgeschlossener Kreditvertrag sowohl vom Kreditgeber als auch vom Kreditnehmer unter Einhaltung einer einmonatigen Kündigungsfrist gekündigt werden kann. Abweichende vertragliche Regelungen sind jedoch zulässig. Ein auf bestimmte Dauer abgeschlossener Kreditvertrag endet durch Zeitablauf, jedoch sind Kündigungen bei sachlich gerechtfertigten Gründen oder aus wichtigen Gründen zulässig. Finanzierungsverträge, insbesondere die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken, treffen dazu in aller Regel Anordnungen und sehen Kündigungsrechte des Kreditgebers, vor allem bei Zahlungsverzug und der Verletzung vertraglicher Verpflichtungen, vor.
  • Häufig werden in Finanzierungsverträgen auch schon für den Fall des (drohenden) Eintritts von Umständen mit wesentlich nachteiligen Auswirkungen Kündigungsrechte des Kreditgebers vereinbart. Ob eine wesentlich nachteilige Auswirkung vorliegt, ist nach Maßgabe des jeweiligen Vertrages zu beurteilen, in aller Regel wird auf die Vermögens- Finanz- oder Ertragslage des Kreditnehmers und dessen Fähigkeit, seinen vertraglichen Verpflichtungen (insbesondere Rückführungen, Einhaltung von Finanzkennzahlen) nachzukommen, abgestellt.
  • Ein Anspruch des Kreditnehmers darauf, dass vereinbarte Kündigungsgründe in Fällen höherer Gewalt nicht zur Anwendung kommen (als solches könnte die Corona-Krise  angesehen werden – näheres dazu hier), besteht mangels darauf gerichteter vertraglicher Regelung nicht. Finanzierungsverträge enthalten aber häufig Heilungsfristen, dh es wird ein gewisser Zeitraum angeordnet, innerhalb dessen ein eingetretener Kündigungsgrund vom Kreditnehmer wieder beseitigt werden kann. Da diese Fristen in aller Regel kurz ausgestaltet sind und derzeit nur schwer abschätzbar ist wie lange uns die Corona-Krise noch begleiten wird, sollte jedoch frühzeitig das Gespräch mit dem Kreditgeber gesucht werden, um noch vor Verstoß gegen Verpflichtungen alternative Lösungen zu besprechen.
  • Dazu ist anzumerken, dass in der Lehre sowie in der jüngeren Rechtsprechung allerdings vertreten wird, dass geringfügige zeitliche Überschreitungen zu tolerieren sind und den Schuldner nicht immer sofort alle Verzugsfolgen treffen sollen. Insbesondere soll dies dann der Fall sein, wenn der Verzug nicht auf mangelnde Zahlungsmoral zurückzuführen ist und nicht darauf schließen lässt, dass auch künftige Zahlungen nicht rechtzeitig erbracht werden.
  • In Fällen von aufrechten Stundungen nach dem 2. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz, ist eine Kündigung durch den Kreditgeber aufgrund von Zahlungsverzug oder einer wesentlichen Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Kreditnehmers im Stundungszeitraum nicht zulässig.

Sind Kreditgeber berechtigt, die Konditionen anzupassen oder verstärkte Sicherheiten zu fordern?

  • Viele Finanzierungsverträge berechtigen den Kreditgeber, bei Veränderungen des Risikos die Bestellung zusätzlicher, angemessener Sicherheiten (dh es darf keine unangemessene Übersicherung verlangt werden) zu fordern. Wird dieser Verpflichtung vom Kreditnehmer nicht binnen angemessener Frist Folge geleistet, könnte wiederum ein Kündigungsrecht des Kreditgebers aufgrund der Verletzung vertraglicher Verpflichtungen bestehen.
  • Häufig sind auch einseitige Entgeltanpassungsrechte des Kreditgebers unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände vereinbart, sei es infolge Änderung von Refinanzierungen, Änderungen der Kapitalmarktbedingungen odgl.

Kann der Kreditgeber die Auszahlung von Kreditmitteln verweigern?

In Finanzierungsverträgen wird der Kreditgeber häufig nur dann zur Auszahlung des Kredits oder einzelner Kredittranchen verpflichtet, wenn kein Kündigungsgrund vorliegt oder einzutreten droht. Könnte der Kreditgeber daher den Finanzierungsvertrag etwa aufgrund einer wesentlich nachteiligen Auswirkung kündigen, wäre er auch nicht verpflichtet, die Kreditauszahlung vorzunehmen.

Ist der Kreditnehmer berechtigt, Zahlungen aufgrund von Liquiditätsengpässen zu verweigern bzw. zu verschieben?

  • Grundsätzlich: Nein! Mit Umsetzung des 2. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz wurde aber die Möglichkeit der Kreditstundung für Kreditverträge mit Verbrauchern oder Kleinstunternehmen, die vor dem 15.03.2020 abgeschlossen wurden, geschaffen (vgl § 2 2. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz). Im Rahmen der Stundung wurden jene Ansprüche des Kreditgebers (Rückzahlung, Zinsen, sowie andere Tilgungsleistungen), die im Zeitraum zwischen 01.04.2020 und 31.01.2021 fällig wurden, mit Eintritt der Fälligkeit für die Dauer von zehn Monaten gestundet, ohne dass sich der Kreditnehmer diesbezüglich in Verzug befindet (Verzugszinsen fallen somit nicht an).
  • Ob durch die gesetzliche Stundung auch der Zinsenlauf gestoppt wurde, ob also der Kreditgeber für die Dauer der gesetzlichen Stundung Anspruch auf Zinsen oder sonstige Gebühren hat, wird derzeit durch die Gerichte geklärt .
  • Für den Zeitraum nach der Stundung solle (so das Gesetz) zwischen Kreditgeber und Kreditnehmer eine einvernehmliche Regelung über die weitere Vorgehensweise getroffen werden. Kommt eine einvernehmliche Regelung nicht zustande, verlängert sich die Vertragslaufzeit um weitere zehn Monate (§ 2 Abs 6 2. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz).

Fernabschluss von Bankgeschäften: Können Verträge, insbesondere auch ohne Anwesenheit des Kunden, abgeschlossen werden?

  • Ein Fernabschluss von Bankgeschäften im Sinne des § 1 Abs 1 BWG – darunter fallen unter anderem die Eröffnung von Konten oder Depots sowie die Vergabe von Krediten – ist generell möglich. Bei einem Geschäftsabschluss mit einem Verbraucher (darunter ist jede Person zu verstehen, für die das Geschäft nicht zum Betrieb seines Unternehmens gehört) sind allerdings die Bestimmungen des Fern-Finanzdienstleistungs-Gesetzes einzuhalten, insbesondere dessen Informationspflichten und das Rücktrittsrecht. Erst nach Ablauf der 14-tägigen Rücktrittsfrist darf ein Kreditinstitut mit der Erfüllung des Bankgeschäfts beginnen. Zu einer vorzeitigen Erfüllung (sohin während der Rücktrittsfrist) kann jedoch nach erfolgter Belehrung über die Folgen der beidseitigen Vertragserfüllung – nämlich den Verlust des Rücktrittsrechts – die ausdrückliche Zustimmung erklärt werden.
  • Ferner besteht auch bei einem Fernabschluss die Verpflichtung des Kreditinstitutes bei Begründung einer Geschäftsbeziehung die Identität des Kunden festzustellen und anhand von glaubwürdigen Dokumenten oder Informationen zu überprüfen. Im Rahmen der Identitätsfeststellung müssen dem Kreditinstitut (i) bei natürlichen Personen der Name, das Geburtsdatum und die Adresse, (ii) bei juristischen Personen die Firma und der Sitz bekannt sein. Die persönliche Vorlage geeigneter Dokumente kann jedoch unterbleiben, kann die persönliche Anwesenheit doch durch entsprechende Sicherungsmaßnahmen ersetzt werden. Als entsprechende Sicherungsmaßnahmen kommen (i) eine Online-Identifikation, (ii) eine Identifikation durch einen elektronischen Ausweis, (iii) eine rechtsgeschäftliche Erklärung mittels qualifizierter elektronische Signatur (diese jedoch nur in Kombination mit weiteren Sicherungsschritten), sowie (vi) die Abwicklung der ersten Zahlung über ein bereits legitimiertes Konto in Betracht.

Praxistipp: Im Zusammenhang mit der Corona-Krise sollte seitens des Kreditnehmers besonders darauf geachtet werden, dass die vereinbarten Zusicherungen und Verpflichtungen eingehalten werden. Im Falle absehbarer Verschlechterungen der Finanz- und Ertragslage sollten frühzeitig die Gespräche mit dem Kreditgeber gesucht werden, um vorweg einzuleitende Gegenmaßnahmen sowie Alternativen (wie Stundungen, Anpassung der Finanzkennzahlen udgl.) erörtern zu können. Sofern bis 31.01.2021 eine Stundung der Kreditgeberansprüche gemäß 2. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz eingetreten ist, sollte eine einvernehmliche Regelung zur Tilgung getroffen werden. 

Für die Beantwortung weiterer Fragen zu diesem Thema stehen unsere ExpertInnen Ihnen gerne telefonisch oder unter akut@hnp.at zur Verfügung.

Disclaimer: Dieser Beitrag wurde sorgfältig recherchiert und zusammengestellt; eine Haftung für die Richtigkeit wird nicht übernommen. Dieser Beitrag ersetzt auch keine Rechtsberatung.

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