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Nachdem sie ein langes Konsultationsverfahren hinter sich gebracht und nach Beschluss im Nationalrat acht Wochen im Bundesrat abgelegen hat, wurde schließlich Anfang September eine umfangreiche Novelle des Kartell- und Wettbewerbsgesetzes kundgemacht. Was in ihr steckt, haben wir hier zusammengefasst:
Mit einem neu eingefügten Passus sollen unternehmerische Kooperationen zum Zwecke einer ökologisch nachhaltigen Wirtschaft ermöglicht werden, indem Vereinbarungen, deren ökologischer Nutzen allfällige Nachteile für den Wettbewerb überwiegt, vom Kartellverbot freigestellt werden.
Um Besonderheiten digitaler Märkte besser abzubilden, wurde die (ohnehin) demonstrative Aufzählung von Kriterien für die Feststellung einer marktbeherrschenden Stellung um einige Beispiele erweitert (wie dies in Deutschland bereits durch die 9. GWB-Novelle geschah). Explizit genannt werden soll die Bedeutung
Zudem stellt die Novelle nun klar, dass es sich bei der relativen Marktmacht um einen eigenständigen Tatbestand handelt. Ausdrücklich wird auch festgehalten, dass relative Marktmacht nicht nur in Geschäftsbeziehungen mit Gütern, sondern auch bei Dienstleistungen auftreten kann. Die noch bedeutsamere Erweiterung erfährt die Bestimmung zur Regelung der relativen Marktmacht dadurch, dass sie nicht mehr nur auf bestehende Beziehungen, deren Abbruch droht, sondern auch schon im Vorfeld einer vertraglichen Beziehung vorliegen kann.
Da die Plattformökonomie, in deren Mittelpunkt „Gatekeeper“ – also wettbewerblich bedeutsame Vermittler mindestens zweier Nutzergruppen – stehen, durch starke Konzentrationstendenzen sowie Marktzutrittsschranken charakterisiert ist, soll das Kartellgericht auf Antrag die Marktmacht eines Unternehmens feststellen lassen können.
Die Notwendigkeit eines solchen Verfahrens wird damit begründet, dass das Missbrauchsverfahren im Sinne einer ex-post-Überprüfung gerade auf diesen Märkten oftmals zu spät kommt und daher nicht ausreichend effizient sei.
Um die österreichische Fusionskontrolle auf jene Fälle zu beschränken, die tatsächlich Auswirkungen auf den österreichischen Markt haben, wird eine zweite Inlandsumsatzschwelle eingeführt. Fortan sollen Zusammenschlüsse nur anmeldepflichtig sein, wenn zumindest zwei beteiligte Unternehmen im letzten Geschäftsjahr einen Umsatz von mindestens € 1 Mio in Österreich erzielt haben. Anwendbar ist der neue Schwellenwert auf Zusammenschlüsse, die nach dem 31.12.2021 angemeldet werden.
Der „SIEC“-Test („Significant Impediment to Effective Competition“) ist jener Test, mit dem in der EU-Fusionskontrolle (und in den meisten anderen Mitgliedstaaten) Unternehmenszusammenschlüsse auf ihre Vereinbarkeit mit einem kompetitiven Markt geprüft werden. Nun soll der Test auch im österreichischen Wettbewerbsrecht Eingang finden, und zwar neben dem bisherigen Untersagungsgrund der Begründung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung.
Das Kartellgericht kann Fusionen trotz Vorliegens von Untersagungsgründen genehmigen. Bis dato bedurfte es dafür des kumulativen Vorliegens der „Notwendigkeit zur Erhaltung oder Verbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der beteiligten Unternehmen“ sowie einer „volkswirtschaftlicher Rechtfertigung“. Fortan sollen diese beiden Gründe jeweils für sich genommen eine Nichtuntersagung rechtfertigen können. Zu betonen ist, dass es künftig jedoch einer volkswirtschaftlichen „Erforderlichkeit“ anstatt einer „Rechtfertigung“ bedarf. Eine prinzipielle Vereinbarkeit mit volkswirtschaftlichen Belangen wird nicht mehr ausreichen, vielmehr muss die Bewilligung ihre Ursache gerade in diesen volkswirtschaftlichen Belangen haben (bspw Gesundheitsversorgung oder Sicherstellung innovativer Technologien).
§ 12 Abs 2 KartG wird fortan außerdem einen dritten Genehmigungsgrund, „die Verbesserung der Wettbewerbsbedingungen“, enthalten.
Auf Grundlage des neu eingefügten § 29 Abs 2 KartG sollen die zuständigen Behörden fortan nicht nur wegen Verstößen gegen das Kartell- und Marktmachtmissbrauchsverbot Geldbußen verhängen können, sondern auch wegen zahlreicher anderer Verstöße (bspw Siegelbruch oder Nichtduldung einer Hausdurchsuchung).
Der Höchstbetrag soll bei 1% des weltweiten Gesamtumsatzes liegen. § 29 Abs 2 KartG hält zudem explizit fest, dass die Geldbußen auch über Muttergesellschaften (für relevantes Verhalten von Tochtergesellschaften) sowie rechtliche oder wirtschaftliche Nachfolger verhängt werden können. Damit soll verhindert werden, dass sich Unternehmen unter Zuhilfenahme rechtlicher oder organisatorischer Veränderungen einer Geldbuße entziehen (Stichwort: „Wurstlücke“).
Für Geldbußen gegen Unternehmensvereinigungen soll auf den weltweiten Gesamtumsatz der Mitglieder abgestellt werden. Die bisher vorgesehene Ausnahme für Unternehmensvereinigungen mit gesetzlicher Mitgliedschaft wurde gestrichen. Ergänzt wurde die Norm hingegen durch den Zusatz, dass die Haftung eines einzelnen Mitglieds 10 % seines weltweiten Gesamtumsatzes nicht übersteigen darf. In den Absätzen 2 bis 5 wurde zudem eine Mit- bzw Ausfallshaftung der Mitglieder bestimmt.
§ 33 Abs 2 KartG sieht künftig, im Falle eines Durchsetzungsverfahrens anderer nationaler Wettbewerbsbehörden oder der Kommission, eine Hemmung der 10-jährigen Verjährungsfrist für Geldbußen vor, sofern sich das Verfahren auf dieselbe Zuwiderhandlung bezieht. Im Falle von Ermittlungs- und Verfolgungshandlungen durch die BWB soll es jedoch weiterhin lediglich zu einer Unterbrechung der Verjährungsfrist kommen.
Die Art 25 bis 28 der „ECN+“ Richtlinie werden in einem neuen Abschnitt des KartG (§§ 35a bis 35e) umgesetzt. Geregelt werden darin unterschiedliche Aspekte der Amtshilfe zwischen den nationalen Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten der EU.
§ 39 Abs 2 KartG (neu) schränkt die Einsicht in Kronzeugenerklärungen und Vergleichsausführungen auf Parteien, und auch für diese auf Zwecke der Ausübung ihrer Verteidigungsrechte ein.
§ 49 Abs 2a KartG (neu) soll Parteien die Möglichkeit geben, im Zuge eines Rekurses oder einer Rekursbeantwortung bekanntzugeben, welche Textpassagen der erstgerichtlichen Entscheidung aufgrund der Wahrung von Geschäftsgeheimnissen nicht in der Entscheidung des Kartellobergerichts wiedergegeben werden sollen.
Nationale Wettbewerbsbehörden sollen Kronzeugenerklärungen nur mehr austauschen können, wenn die betroffenen Unternehmen oder Unternehmensvereinigungen zustimmen oder derartige Erklärungen den beteiligten Wettbewerbsbehörden ohne Rückzugsmöglichkeit des Erklärenden ohnedies vorliegen.
Die geplante Neuerung, welche ein Auskunftsrecht der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort gegenüber der BWB vorsieht, schlug beachtliche mediale Wellen. Laut den Erläuterungen soll damit jedoch keinesfalls in die Unabhängigkeit der Wettbewerbsbehörde eingegriffen werden. Die Bestimmung wurde jedenfalls umgesetzt.
Zur Verbesserung der Übersichtlichkeit sollen die Aufgaben der BWB in § 2 WettbG auf Abs 1 (Kernaufgaben) und Abs 2 (sonstige Aufgaben) aufgeteilt werden. Eine inhaltliche Veränderung gibt es bezüglich der Möglichkeit der BWB, Stellungnahmen zu allgemeinen Fragen der Wirtschaftspolitik abzugeben. Dies soll nur mehr im Falle eines Ersuchens durch die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort zulässig sein.
Bei Zusammenschlüssen mit besonders herausragender wirtschaftspolitischer Bedeutung für Österreich sollen Anmeldungen wie auch Modifikationen derselben künftig der Wettbewerbskommission vorgelegt werden, um dieser die Abgabe von Stellungnahmen zu ermöglichen. Überdies ist nunmehr eine Vorlagepflicht gegenüber der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben nach dem Investitionskontrollgesetz (InvKG) vorgesehen.
Um zu verhindern, dass andere mutmaßlich am Kartellverstoß beteiligte Unternehmen von bereits eingeleiteten Ermittlungen erfahren, wird die Verpflichtung eines Kronzeugen, die eigene Mitwirkung am Verstoß einzustellen, eingeschränkt. Jene Kartellaktivitäten, welche aus Sicht der BWB erforderlich sind, um die Integrität der eigenen Untersuchungen zu wahren, sollen von der Einstellungsverpflichtung ausgenommen sein.
Außerdem wurde eine bereits herrschende gängige österreichische Praxis gesetzlich normiert: Mitteilungen, welche die Anforderungen des § 11b Abs 1 WettbG (Geldbußenbefreiung) nicht erfüllen, sollen als Ersuchen auf Vorgehen nach § 11 Abs 2 WettbG (Ermäßigung der Geldbuße) aufgefasst werden.
Um das gesetzlich normierte Kronzeugenprogramm nicht zu überfrachten, ist weiters eine Verordnungsermächtigung an die Ministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort zur weiteren Konkretisierung vorgesehen.
Dieser Beitrag stellt lediglich eine allgemeine Information dar und ersetzt keine Rechtsberatung. Haslinger / Nagele übernimmt keinerlei Haftung für Inhalt und Richtigkeit dieses Beitrags.
24. September 2021