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Illegale Rodungen, Kinder- oder Zwangsarbeit, Ausbeutung von Minderheiten, irreversible Zerstörungen der Natur sind in globalen Lieferketten leider keine seltenen Phänomene. Wenn es nach den Vorstellungen der EU geht, sollen Unternehmen in die Pflicht genommen werden, genau hinzusehen und Derartiges in ihren Lieferketten nicht mehr zu dulden. Deutschland ist da schon einen Schritt weiter. Seit Jahresbeginn gilt hier das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz („LkSG“). Auch Österreichische Unternehmen können von diesen neuen Verpflichtungen (mittelbar) betroffen sein.
Mit dem LkSG wird die unternehmerische Verantwortung für die Einhaltung von Menschenrechten in globalen Lieferketten geregelt. Das LkSG verpflichtet Unternehmen zur Achtung von Menschenrechten und zur Einhaltung von Umweltstandards durch die Umsetzung definierter Sorgfaltspflichten. Diese Pflichten gelten für den eigenen Geschäftsbereich, für das Handeln eines Vertragspartners und das Handeln weiterer (mittelbarer) Zulieferer. Damit endet die Verantwortung der Unternehmen nicht länger am eigenen Werkstor, sondern besteht entlang der gesamten Lieferkette.
Ziel des Gesetzes ist es, dass etwa die Fertigung von Produkten unter menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen, mit nur ungenügenden Sicherheitsstandards oder durch Kinderarbeit hintangehalten werden. In Bezug auf den Schutz der Umwelt sind die vom Gesetz betroffenen Unternehmen dazu verpflichtet, dafür zu sorgen, dass es innerhalb der Lieferkette unter anderem zu keiner Freisetzung oder unsachgemäßer Entsorgung von umweltschädlichen (Schad-)Stoffen kommt. In der Anlage zum Gesetz befindet sich ein Katalog von international anerkannten Übereinkommen zum Schutz der Menschenrechte und dem Umweltschutz, aus denen sich die geschützten Rechtspositionen im Sinne des LkSG ergeben.
Das LkSG ist auf alle deutschen Unternehmen anzuwenden, die mindestens 3.000 Arbeitnehmer:innen beschäftigen. Ausländische Unternehmen sind vom LkSG jedoch ebenso betroffen, wenn sie über eine Zweigniederlassung mit mindestens 3.000 Arbeitnehmer:innen in Deutschland verfügen. Die Schwellenwerte für den Anwendungsbereich des LkSG werden mit Anfang nächsten Jahres gesenkt. Ab diesem Zeitpunkt sind dann bereits Unternehmen mit mindestens 1.000 Arbeitnehmer:innen ebenfalls betroffen. Der Anwendungsbereich wird sich sohin nochmals massiv ausweiten.
Das LkSG verpflichtet die vom Anwendungsbereich umfassten Unternehmen insbesondere zu folgenden Maßnahmen:
Zunächst sind die Unternehmen dazu verpflichtet, ein Risikomanagement einzurichten, welches insbesondere versucht, die Risiken in der Lieferkette zu identifizieren und nach Möglichkeiten sucht, diese zu beenden oder zumindest zu verringern. Teil davon ist auch eine stringente Zuordnung der betriebsinternen Zuständigkeiten. Weiters sind regelmäßige Risikoanalysen durchzuführen, welche der Identifizierung, Bewertung und Priorisierung der Risiken dienen. Ferner haben die betroffenen Unternehmen eine Grundsatzerklärung über die geplanten Maßnahmen zu verabschieden. Zusätzlich dazu sind Präventionsmaßnahmen zu setzen, um proaktiv Pflichtverletzungen vorzubeugen.
Darüber hinaus sind Risiken und Missstände nicht nur zu identifizieren, sondern es sind auch angemessene Abhilfemaßnahmen vorzusehen, welche bei einer festgestellten Pflichtverletzung zur Anwendung kommen. Abhängig von der konkreten Risikostruktur sind auch entsprechende Maßnahmen hinsichtlich mittelbarer Zulieferer zu implementieren. In diesem Kontext ist auch die Einrichtung eines Beschwerdeverfahrens vorgesehen, um die Meldung von (potentiellen) Pflichtverletzungen durch Dritte zu ermöglichen. Ferner treffen die Unternehmen fortlaufende Dokumentations- und Berichtspflichten über die oben angeführten Maßnahmen bzw. das unternehmensinterne Risikomanagement.
Aufgrund der engen wirtschaftlichen Verbindungen zu Deutschland, werden österreichische Unternehmen immer häufiger mit Anfragen von verpflichteten deutschen Unternehmen konfrontiert. Die Tendenz in der Praxis geht dahin, dass österreichische Zulieferbetriebe nicht nur dazu verpflichtet werden, den Lieferantenkodex ihrer Kunden zu akzeptieren, sondern auch dazu, die Verpflichtungen entlang der eigenen Lieferkette weiterzugeben. Hinzu kommt, dass Unternehmen auch oftmals mit Schulungs- und Auditierungsklauseln in Lieferverträgen konfrontiert werden.
Aus Sicht des deutschen Unternehmens handelt es sich dabei um ein berechtigtes Anliegen, sind diese doch gesetzlich zu entsprechenden Präventivmaßnahmen gegenüber Lieferanten verpflichtet. Da Ihr Unternehmen umgekehrt aber keine Verpflichtung eingehen will, unzählige (unterschiedliche) Lieferantenkodizes Ihrer Abnehmer weiterreichen zu wollen, ist es sinnvoll, sich proaktiv Selbstverpflichtungen aufzuerlegen, etwa durch einen eigenen Code of Conduct und entsprechende Schulungsprogramme. Gegenüber dem deutschen Vertragspartner kann dann auf die eigenen Compliance-Strukturen verwiesen werden und im Wege der Vertragsverhandlungen eine für beide Seiten akzeptable Verpflichtungserklärung (etwa hinsichtlich der Einhaltung der Grundsätze des eigenen Code of Conduct) gefunden werden.
„Nur solche Unternehmen, die eigene Compliance-Strukturen aufbauen, die auch Lieferketten in den Blick nehmen, sind in der Lage, sich in Verhandlungen mit deutschen Abnehmern gut zu positionieren.“
Thomas Baumgartner, Rechtsanwalt und zertifizierter Compliance Officer
Nicht nur in Deutschland, sondern auch auf europäischer Ebene wird mit Nachdruck an Lieferkettensorgfaltspflichten gearbeitet. Anfang 2022 wurde der Entwurf der Europäischen Kommission zur Corporate Sustainability Due Diligence Richtlinie veröffentlicht. Dieser Entwurf beinhaltet einen deutlich weiteren persönlichen und sachlichen Anwendungsbereich und auch die vorgesehenen Sorgfaltspflichten gehen über die des LkSG hinaus. So sieht der Entwurf unter anderem die Verpflichtung vor, das Erreichen der europäischen Klimaziele gemäß dem Übereinkommen von Paris zu unterstützen. Ferner ist vorgesehen, dass Verstöße härter sanktioniert werden als im LkSG. Abgesehen von Bußgeldern sollen auch zivilrechtliche Haftungstatbestände implementiert werden.
In einem nächsten Schritt wird der Entwurf in den sogenannten Trilog-Verhandlungen weiter diskutiert werden. Die Verhandlungen könnten möglicherweise (relativ) rasch abgeschlossen werden, womit das „EU-Lieferkettengesetz“ bereits im Laufe des Jahres 2024 in Kraft treten könnte. Abhängig davon, auf welche Umsetzungsfrist man sich einigen wird, hätten die Mitgliedstaaten dann zwei oder drei Jahre Zeit, entsprechende nationale Lieferkettensorgfaltspflichtengesetze zu erlassen bzw. bestehende Gesetze entsprechend anzupassen.
Zusammenfassend lässt sich daher festhalten, dass es nur mehr eine Frage der Zeit ist, bis auch in Österreich entsprechende Sorgfaltspflichten entlang der Lieferkette gesetzlich verankert werden.
„Österreichische Unternehmen sollten sich schon jetzt proaktiv mit ihren Risiken in der Lieferkette auseinandersetzen. Durch frühzeitige Implementierung von eigenen Compliance-Maßnahmen wie „Lieferantenkodex“, „Lieferantenerklärungen“ etc. können Risiken minimiert und Wettbewerbsvorteile generiert werden.“
Thomas Baumgartner, Rechtsanwalt und zertifizierter Compliance Officer
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13. April 2023