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Wer nach Kartellverstößen wieder an Vergabeverfahren teilnehmen möchte, muss schmerzhafte Maßnahmen ergreifen. Die hohen Hürden stehen nicht nur in Konflikt mit zentralen Verteidigungsrechten, sondern können auch paradoxe Konsequenzen nach sich ziehen. Der Gesetzgeber sollte nachjustieren.
War ein Unternehmen an einem Kartell beteiligt, gilt es im Vergaberecht (zumindest für die Dauer von drei Jahren ab der behördlichen Feststellung des Verstoßes, siehe dazu die EuGH Rs Vossloh Laeis) als beruflich unzuverlässig. Verfügt ein öffentlicher Auftraggeber über hinreichend plausible Anhaltspunkte für einen solchen Rechtsverstoß, hat er das Unternehmen daher von der Teilnahme am Vergabeverfahren auszuschließen. Da Entscheidungen des Kartellgerichts in der Ediktsdatei veröffentlicht werden und Teilnehmer eines Vergabeverfahrens zudem wahrheitsgemäß erklären müssen, ob sie einen Ausschlussgrund gesetzt haben, bleiben einem Auftraggeber – jedenfalls gerichtlich festgestellte – Kartellverstöße selten verborgen.
Die Maßnahmen, die Unternehmen zur Wiederherstellung ihrer vergaberechtlichen Compliance nach Kartellverstößen ergreifen müssen, sind umfangreich – und sie beeinträchtigen wesentliche Verteidigungsrechte.
Nach alter Rechtslage konnte ein Unternehmen durch den Nachweis umfassender „Selbstreinigung“ in Gestalt von Compliance-Maßnahmen seine Zuverlässigkeit wiedergewinnen. Seit Inkrafttreten des BVergG 2018 wurden die Hürden für eine erfolgreiche Katharsis drastisch erhöht. Neben einem umfänglichen Compliance-Paket muss ein Unternehmer nun auch den Nachweis erbringen, „jeglichen“ durch die Tat verursachten Schaden ersetzt und „umfassend“ sowie „aktiv“ zur Aufklärung des Sachverhalts beigetragen zu haben.
Doch selbst beim besten Willen kann die Schadenswiedergutmachung schon daran scheitern, dass sich der aus einem Kartell entstandene Schaden nicht mit Sicherheit bestimmen und noch weniger leicht beziffern lässt.
Und die umfassende Zusammenarbeit mit den Behörden? Jede Person und jedes Unternehmen hat das Recht zu schweigen. Geständnisse sollen auch nicht durch wirtschaftlichen Druck erzwungen werden. Aber was will man tun, wenn die Existenz maßgeblich von öffentlichen Aufträgen abhängt?
Die Tätigkeit der Kartellbehörden soll den Wettbewerb wiederherstellen und – durch Strafen mit Signalwirkung – präventiv sichern. Die hohen vergaberechtlichen Anforderungen an die Wiedererlangung der Zuverlässigkeit könnten aber die Zahl der Mitbewerber drastisch reduzieren, wenn ihnen die Reinwaschung nicht gelingt, und damit den Wettbewerb letztlich beschränken.
Bei aller gebotenen Strenge wäre wünschenswert, dass die entsprechenden Regelungen zeitnah korrigiert werden. Die Verantwortung hierfür liegt in Wien, nicht in Brüssel. Die EU-Vergaberichtlinien sehen nämlich keinen verpflichtenden Ausschluss von Unternehmen nach Kartellverstößen vor .
Der Beitrag erschien am 05.03.2020 in einer Sonderbeilage der Tageszeitung Der Standard und online.
Für weitere Fragen zu diesem Thema steht Ihnen MitarbeiterInnen unserer Teams Kartell- und Beihilfenrecht sowie Vergaberecht gerne zur Verfügung.
7. März 2020