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Zwei Schritte vor, ein Schritt zurück? EuGH zu Schadenersatz im Vergaberecht


Am 6. Juni 2024 urteilte der Europäische Gerichtshof in der Rechtssache INGSTEEL (C-547/22, EU:C:2024:478), dass ein Bieter, der rechtswidrig von einem Vergabeverfahren ausgeschlossen wurde, Schadenersatz für den Verlust einer vergangenen Chance verlangen kann. Der Haftungsanspruch könne freilich nicht uferlos sein, maßgeblich sei das nationale Recht.

Der Bau von Fußballstadien als Streitpunkt

Passend zur laufenden Fußball-Europameisterschaft der Herren geht es im Ausgangssachverhalt um die Modernisierung und den Bau von Fußballstadien in der Slowakei. Die INGSTEEL spol. s r. o., Klägerin im Ausgangssachverhalt, wurde (als Teil einer Bietergemeinschaft) vom Vergabeverfahren ausgeschlossen (siehe dazu bereits Urteil vom 13.07.2017, Ingsteel und Metrostav, C‑76/16, EU:C:2017:549) und begehrte nun Schadenersatz, insbesondere angemessenen Gewinn, welcher ihr bei Zuschlagserteilung zu seinen Gunsten zugestanden wäre. Zuvor war der Ausschluss aus dem Vergabeverfahren durch die slowakischen Gerichte für rechtswidrig erklärt worden.

Das angerufene slowakische Gericht war über die Reichweite der Schadenersatzregelungen der „Vergabe-Rechtsmittelrichtlinie“ (Richtlinie 89/665/EWG idgF) im Unklaren. Dies betraf insbesondere die Anwendung der nationalen Bestimmungen über die Zuerkennung von Schadenersatz in Form eines entgangenen Gewinns. Folglich legte das slowakische Gericht dem EuGH einige Fragen zur Vorabentscheidung vor.

Die Rechtsansicht des EuGH

Nachdem der EuGH die Zulässigkeit der Vorlagefragen erkannt hatte, setzt sich der Gerichtshof mit den Vorlagefragen inhaltlich auseinander.

Zunächst verwies der EuGH darauf, dass die Zuerkennung von Schadenersatz bei rechtswidrigem Ausschluss aus einem Vergabeverfahren in der Vergabe-Rechtsmittelrichtlinie weit gefasst sei. Ein Ausschluss einer bestimmten Schadenskategorie, zB des entgangenen Gewiss, sei daher unzulässig. Das ist nachvollziehbar: Unternehmen, die den Zuschlag nicht erhalten, obwohl sie für die Erbringung der ausgeschriebenen Leistungen in Frage gekommen wären, sind potentiell geschädigt. Dieser Schaden liegt einerseits in dem Aufwand, der ihnen durch die Erarbeitung der Teilnahme- und Angebotsunterlagen entstanden ist. Andererseits kann ihnen auch dadurch ein Schaden entstanden sein, dass sie einen Auftrag nicht erbringen und so keinen Umsatz/Gewinn erwirtschaften können.

Verweis auf das nationale Recht

Nach dieser grundsätzlichen Anerkennung des entgangenen Gewinns als ersatzfähigen Schaden rudert der EuGH etwas zurück und verweist für die Geltendmachung auf das nationale Recht. Konkret sei es Sache jedes Mitgliedstaats, in seiner internen Rechtsordnung die Kriterien zu bestimmen, auf deren Grundlage der Schaden, der sich aus dem Verlust der Chance, an einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags teilzunehmen, um diesen zu erhalten, ergibt, festzustellen und zu bemessen ist. Die Mitgliedstaaten haben dabei jedoch die europarechtlichen Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität zu beachten.

Ein kategorischer Ausschluss der Zuerkennung des entgangenen Gewinns sei jedenfalls unzulässig, was auch zu einer notwendigen Änderung nationaler Rechtsprechung zum Schadenersatzrecht führen könne.

Gerne stehen Ihnen unsere Experten Johannes Hartlieb und Florian Krumbiegel aus dem Team Vergaberecht für weitere Fragen zu diesem Thema zur Verfügung.

Disclaimer

Dieser Beitrag stellt lediglich eine allgemeine Information dar und ersetzt keine Rechtsberatung. Die Haslinger / Nagele Rechtsanwälte GmbH übernimmt keine Haftung für Inhalt und Richtigkeit dieses Beitrages

 

1. Juli 2024

 
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