Whistleblowing-Meldesysteme
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Der Oberste Gerichtshof hat im Gesamten bestätigt, zu dem uns davor zum einen Teil das Landesgericht und zum anderen das Oberlandesgericht schon Recht gegeben hatten, und damit weitere Klarheit für Arbeitgeber geschaffen (OGH 28.06.2023, 6 ObA 1/22y).
Was ist passiert: Einvernehmlich beendet ein Unternehmen das Dienstverhältnis mit einer Assistentin des Geschäftsführers. Weil über den E-Mail-Account dieser Assistentin im Namen des Geschäftsführers Korrespondenz, insbesondere mit Kunden, geführt wurde, nimmt der Geschäftsführer Einsicht in ihr E-Mail-Konto, damit dem Unternehmen nach Ausscheiden der Assistentin keine wichtigen Kundennachrichten u.ä. entgehen. Was er dabei allerdings an Nachrichten vorfindet, ist wenig erbaulich: Die Kollegin dieser Assistentin lästert bei der Ehemaligen übel über das Unternehmen ab. Dieses sei ein „Idiotenhaufen“, es sei hier „zum Durchdrehen“ und alle seien unfähig, daher werde sie „net viel machen“, sondern sie schreibe gerade Bewerbungen. Wenig überraschend beendet der Geschäftsführer unter Vorhalt dieser Meldungen das Dienstverhältnis. Beide ehemaligen Assistentinnen der Geschäftsführung verlangten nun Schadenersatz wegen Datenschutzverletzung, denn der Geschäftsführer hätte diese Nachrichten ja gar nicht einsehen und schon gar nicht der Personalleiterin offenlegen dürfen.
Nun, alle von den Klägerinnen damit befassten Gerichte sahen die Sache anders:
Die Einsichtnahme in das E-Mail-Konto war zur Aufrechterhaltung des Unternehmensbetriebs der Beklagten nach dem Ausscheiden der ehemaligen Assistentin notwendig, weil dieses Kunden- und Vertragspartnerkommunikation enthielt. Darüber hinaus hatten die Klägerinnen mit der Einsichtnahme auch rechnen müssen, soweit Nachrichten nicht als privat erkennbar waren, was vom E-Mail-Verkehr zwischen Assistentinnen der Geschäftsführung nicht zu erwarten ist. Damit bestätigten die Gerichte ein Überwiegen der Interessen des geklagten Unternehmens an der Einsichtnahme gegenüber jenen der Klägerinnen auf Schutz ihrer personenbezogenen Daten und ihrer Privatsphären iSd § 6 Abs 1 lit f DSGVO. Die Einsicht war somit rechtmäßig. Zusätzlich hält der OGH fest, dass es sich bei einer solchen anlassbezogenen Einsicht nicht um eine Kontrollmaßnahme iSd § 96 Abs 1 ArbVG handelt. Eine Einwilligung der Betroffenen, die E-Mails durchzusehen, war somit weder aus arbeits- noch aus datenschutzrechtlicher Sicht erforderlich.
Auch der geforderte Schadenersatz blieb den beiden Klägerinnen verwehrt: Nur, weil es den Klägerinnen peinlich war, dass sie erwischt wurden und die bloß vage Gefahr einer öffentlichen Bloßstellung reichen nicht aus, um die für einen Schadenersatz geforderte Erheblichkeitsschwelle zu erreichen. Dem steht nicht entgegen, dass die mit Personalangelegenheiten befasste Ehefrau des Geschäftsführers im Zuge der Kündigung der Nachfolgerin auch von den Schmähnachrichten erfuhr.
Die Privatsphäre im Dienstumfeld ist nicht grenzenlos und Datenschutz kein Feigenblatt, um eigenes Fehlverhalten zu schützen. Eine Einsichtnahme in unternehmensbezogene E-Mail-Konten von Dienstnehmern ist insbesondere dann berechtigt, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Unternehmensbetriebes erforderlich ist. Es ist eine Interessensabwägung zu machen, in die stets die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind. Der Dienstgeber darf aber nur soweit blicken, als nicht erkennbar ist, dass es sich um eine private Korrespondenz der Dienstnehmer handelt.
Für die Beantwortung weiterer Fragen zu diesem Thema steht Ihnen unser Experte Markus Gaderer aus dem Team Datenschutz, Telekommunikation und Digitalisierung gerne zur Verfügung.
Dieser Beitrag stellt lediglich eine allgemeine Information dar und ersetzt keine Rechtsberatung. Die Haslinger / Nagele Rechtsanwälte GmbH übernimmt keinerlei Haftung für Inhalt und Richtigkeit dieses Beitrages.
6. September 2023