Whistleblowing-Meldesysteme
Wir helfen bei der Umsetzung und Aufarbeitung!
Christoph Harringer sieht Green Finance klar im Aufwind und spricht im Interview mit der Tageszeitung „Die Presse“ über die größten Chancen aber auch rechtlichen Herausforderungen der grünen Finanzierungsformen.
Sustainable Finance ist derzeit in aller Munde – „Grüne Kredite“ und „Grüne Anleihen“ sind keine leeren Schlagworte mehr, sondern bereits am Finanzmarkt angekommen und etabliert. Dies liegt einerseits daran, dass sich die öffentliche Wahrnehmung von ESG in den letzten Jahren verstärkt hat und Kunden aufgrund zunehmender Bedeutung von Nachhaltigkeit im Alltag auch vermehrt grüne Finanzprodukte anfragen. Andererseits aber auch an neuen Rechtsgrundlagen die Kreditinstitute verpflichten, sich mit nachhaltigen Produkten auseinanderzusetzen. Beispielsweise ist ab dem Jahr 2024 die sogenannte Green Asset Ratio in die nicht-finanzielle Erklärung aufzunehmen. Diese Kennzahl soll ausdrücken, welcher Anteil am Gesamtportfolio eines Kreditinstitutes auf nachhaltige Kredite oder Finanzdienstleistungen entfällt. Erklärtes Ziel ist eine bessere Vergleichbarkeit der Nachhaltigkeitsstrategien von Kreditinstituten. Vorgaben, welche Quote ein Kreditinstitut erreichen muss, sind nicht vorgesehen. Es drohen (bislang) zwar keine Konsequenzen bei Erreichen eines niedrigen Scores, allerdings wird sich ein schlechtes Rating auf die öffentliche Reputation – und somit auf den Aktienkurs und Geschäftsbeziehungen – auswirken. Die Green Asset Ratio nimmt somit Kreditinstitute mittelbar in die Pflicht, ihre Quote durch Angebote von nachhaltigen Finanzprodukten zu verbessern.
Überblicksmäßig betrachtet, besteht aktuell ein fragmentierter Rechtsrahmen mit diffiziler Regelungsdichte. Während grüne Anleihen mit dem EU Green Bonds Standard künftig auf EU-Ebene vereinheitlicht werden sollen, existiert im Hinblick auf grüne Kredite oder grüne Girokonten nach wie vor kein verbindlicher Rechtsrahmen oder unverbindlicher Standard der EU. Auch im Zusammenhang mit der Reformierung des Verbraucherkreditrechts sollen ESG relevante Themen nicht vordergründig betrachtet werden. Einzig die Taxonomie-Verordnung regelt erstmals, was als „nachhaltige Wirtschaftstätigkeit“ einzustufen ist und wird somit mittelbar, und zwar als Referenzwerk, auch grüne Finanzprodukte beeinflussen. Es ist nämlich davon auszugehen, dass auch künftige Rahmenwerke auf die Definition der Taxonomie-Verordnung zurückgreifen werden, weshalb dieser eine enorme praktische Bedeutung zukommen wird.
Nachdem aktuell kein verbindlicher Regelungsrahmen besteht, wann ein Finanzprodukt als „grün“ oder „nachhaltig“ einzustufen ist, besteht natürlich nach wie vor die Gefahr von sogenanntem „Greenwashing“. Mangels verbindlicher Rahmenbedingungen sind daher Finanzprodukte sorgfältig zu gestalten, damit diese nicht Gefahr laufen, als bloßes „Greenwashing“ abgestempelt zu werden. Die Taxonomie-Verordnung kann diese Gefahr zwar insoweit eindämmen, als erstmals ein Referenzrahmen vorliegt, der es ermöglicht, die Nachhaltigkeit von Wirtschaftstätigkeiten – und somit auch von Finanzprodukten – objektiv zu überprüfen, allerdings liegen diesbezüglich erst für zwei Umweltziele auch entsprechend detaillierte Regulierungsstandards vor.
Eine besondere Herausforderung stellt nach wie vor die fehlende Rechtssicherheit betreffend Konzeption von nachhaltigen Finanzprodukten dar, die aus den unverbindlichen Standards resultiert. Es bedarf daher einer umfassenden Bewertung der zur Verfügung stehenden Standards und einer Ausrichtung an den Kriterien der Taxonomie-Verordnung, damit nachhaltige Anleihen oder Kredite künftig auch tatsächlich am Markt als solche wahrgenommen werden und die entsprechenden Kunden erreichen.
Für Anleihen kann dazu künftig sicherlich auf den einzuführenden EU Green Bonds Standard zurückgegriffen werden. Emittenten von Anleihen sollen damit in die Lage versetzt werden, nachweisen zu können, dass sie in – der Taxonomie-Verordnung entsprechende – nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten investieren. Der Entwurf dieses freiwilligen Standards sieht daher insbesondere drei Hauptanforderungen vor.
Betreffend Kredite stellt sich die Regulierungsdichte noch geringer dar. Im Wesentlichen wird hierbei auf die von der Loan Market Association entwickelten Green Loan Principles oder Sustainability Linked Loan Principles zurückgegriffen. Dabei handelt es sich um freiwillige Richtlinien, die sich in ihrer praktischen Anwendung zwar unterscheiden, allerdings auch miteinander kombiniert werden können. Bei grünen Krediten dürfen die Kreditmittel ausschließlich zur Finanzierung von grünen Projekten zweckgewidmet werden, wobei betreffend Definition von grünen Projekten noch nicht zwingend an die Vorgaben der Taxonomie-Verordnung angeknüpft werden muss. Die Zweckwidmung ist einerseits im Kreditvertrag festzuhalten und es ist dem Kreditgeber darüber jährlich zu berichten, andererseits muss in Form eines Monitoringprozesses sichergestellt werden, dass die Verwendung der Mittel nachvollziehbar ist, wofür beispielsweise auf eigens angelegte Konten zurückgegriffen werden kann. Sustainability Linked Loans sehen hingegen keine besonderen Anforderungen an die Mittelverwendung vor. Es sollen aber im Kreditvertrag Anreize – wie beispielsweise verbesserte Konditionen in Form von vorteilhafteren Zinssätzen – geschaffen werden, die an die Erreichung von gewissen vorgegebenen Nachhaltigkeitszielen, die mit vordefinierten Key Performance Indikatoren gemessen werden, anknüpfen. Berichtspflichten sind insoweit vorgesehen, als diese erforderlich sind, um die Erreichung der Key Performance Indikatoren festzustellen, was wiederum durch unabhängige Dritte zu verifizieren ist. Aufgrund der neuen Offenlegungspflichten ist jedoch Kreditinstituten jedenfalls zu empfehlen, Berichtspflichten und Informationsrechte in nachhaltige Kredite aufzunehmen, um in der Lage zu sein, die künftig zu berichtende Green Asset Ratio auch entsprechend zu berechnen.
Welche weiteren Maßnahmen wären sinnvoll, um Kapitalmarktströme umzulenken und „Greenwashing“ einzudämmen? Problematisch ist aktuell die fehlende Rechtssicherheit im Zusammenhang mit grünen Anleihen oder nachhaltigen Krediten. Die bloß floskelartigen Umschreibungen der Begriffe grüne oder nachhaltige Tätigkeit birgt freilich die Gefahr an sich, dass Anleihen oder Kredite grün angestrichen werden, obwohl sie keine wahren nachhaltigen Ziele verfolgen. Ein verbindlicher Rechtsrahmen für nachhaltige Finanzprodukte wäre daher wünschenswert. Ein solcher sollte auch an die bestehende Definition nachhaltigen Wirtschaftens nach der Taxonomie-Verordnung anknüpfen und die finanzierten Tätigkeiten anhand derer Kriterien gemessen werden. Dies trägt nicht nur wesentlich zur Vergleichbarkeit von Finanzprodukten bei, sondern wird damit auch das Risiko von „Greenwashing“ erheblich reduziert. Für Emittenten ist bis dahin allerdings Vorsicht bei der Auflage von grünen Anleihen oder Vergabe von nachhaltigen Krediten geboten, damit ihre Produkte auch tatsächlich als nachhaltig am Markt wahrgenommen werden.
Ende des Jahres 2022 wurde schlussendlich auch die EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (Corporate Sustainability Reporting Directive, CSRD) angenommen. Damit soll eine erhebliche Erweiterung bestehender Regeln zur nicht-finanziellen Berichterstattung einhergehen. Die wesentlichen Änderungen sind:
Dieser Beitrag stellt lediglich eine allgemeine Information dar und ersetzt keine Rechtsberatung. Die Haslinger / Nagele Rechtsanwälte GmbH übernimmt keinerlei Haftung für Inhalt und Richtigkeit dieses Beitrages.
Das Interview erschien am 19. Jänner 2023 in der Tageszeitung Die Presse.
19. Januar 2023