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Green Public Procurement im neuen Regierungsprogramm


Gleich in mehreren Kapiteln des Regierungsprogramms 2020-2024 finden sich – wenn auch sehr knapp gehaltene – Ausführungen der Koalitionspartner zu möglichen Änderungen im Vergaberecht. Die Kernaussage: „Die Bundesregierung wird das Vergaberecht als wichtiges Instrument zur Bekämpfung des Klimawandels nutzen.“ Inwieweit ein solches Vorhaben funktionieren kann und welche Hürden es auf dem Weg zu überwinden gilt, sei nachstehend kurz umrissen.

Die Idee ist nicht neu: Das Beschaffungsvolumen öffentlicher Auftraggeber entspricht in Österreich wie auch innerhalb der EU rund 14% des jeweiligen Bruttoinlandsprodukts. Würden öffentliche Auftraggeber vermehrt ökologische Kriterien in ihren Ausschreibungen berücksichtigen, könnte damit einerseits ein spürbarer Beitrag zur Erreichung verbindlich eingegangener Klimaziele geleistet werden; andererseits würden auch unmittelbare Anreize zur Investition in Umweltschutzmaßnahmen durch Unternehmen gesetzt.

Bereits Anfang der 00er Jahre sprach der EuGH zu den Vorgängervorschriften der heutigen Vergabe-RL aus, dass Auftraggeber im Rahmen der Bewertung des wirtschaftlich günstigsten Angebots auch Umweltschutzkriterien anwenden dürften. Zugleich schränkte er aber ein, dass diese Möglichkeit unter mehreren Vorbehalten stünde:

  • die Kriterien müssten jedenfalls mit dem Gegenstand des Auftrags zusammenhängen,
  • sie dürften dem Auftraggeber keine uneingeschränkte Entscheidungsfreiheit einräumen,
  • sie müssten im Leistungsverzeichnis oder in der Bekanntmachung des Auftrags ausdrücklich genannt sein und
  • sie dürften die Grundsätze des Gemeinschaftsrechts, insbesondere das aus der Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit abgeleitete Diskriminierungsverbot, beachten (Rs Concordia Bus, Rn 59-64).

Zwar führte die Entscheidung zu einer grundsätzlichen Öffnung von Zuschlagskriterien für umweltschutzbezogene Aspekte, die durch explizite Erwähnung solcher Aspekte in den folgenden Vergabe-RL 2004/17/EG und 2004/18/ЕG noch bekräftigt wurde. Nachfolgende Judikate zeigten dennoch weiterhin bestehende Schwierigkeiten der Auftraggeber im praktischen Umgang mit ihren Möglichkeiten: Einerseits wurde der geforderte strenge Sachzusammenhang zwischen Zuschlagskriterien und Auftragsgegenstand nicht immer eingehalten (siehe Rs EVN AG Rn 66 ff; der EuGH schloss jedoch eine großzügigere Berücksichtigung von Umweltkriterien im Rahmen der Bestimmung und Auswahl geeigneter Bieter nicht aus), andererseits stellten die Überprüfungsmöglichkeiten der Bieterangaben zu solchen Kriterien Auftraggeber wie Unternehmer vor Herausforderungen (siehe Rs Evropaïki Dynamiki, Rn 74 ff).

Die aktuellen Vergabe-RL bauen auf dieser Rechtsprechung des EuGH auf und gehen teils noch darüber hinaus. Nunmehr ist u.a. ausdrücklich geregelt, dass Auftraggeber umweltbezogene Kriterien in allen Phasen einer Ausschreibung berücksichtigen können – also sowohl bei der Eignungsprüfung, bei der Bestimmung des (wirtschaftlich) günstigsten Angebots wie auch im Zuge der Vertragsabwicklung durch Aufnahme von “contract performance clauses” in den Leistungsverträgen. Bei Berechnung des Angebotspreises dürfen Auftraggeber Lebenszykluskostenrechnungen vornehmen, die ausdrücklich auch externe Effekte auf die Umwelt berücksichtigen können, etwa die mit der Herstellung der Waren verbundene Umweltverschmutzung.

Ambitioniert klingt auch der im BVergG 2018 (wie auch schon in § 19 Abs 5 BVergG 2006) enthaltene Vergabegrundsatz, wonach im Vergabeverfahren auf die Umweltgerechtheit der Leistung Bedacht zu nehmen ist. Sämtliche Bestimmungen, die diesen Grundsatz ausführen könnten, sind jedoch – mit Ausnahme von Sondervorschriften über die Beschaffung von Straßenfahrzeugen einerseits und betreffend die Energieeffizienz von im Oberschwellenbereich beschafften Waren und Dienstleistungen durch bestimmte Auftraggeber andererseits – Kann-Bestimmungen oder aber – wie § 110 BVergG über Bestimmungen in Leistungsverträgen dermaßen vage, dass die praktische Beachtung bezweifelt werden darf.

Zwar haben viele Staaten und Institutionen, gerade auch auf Ebene der EU, in den letzten Jahren nationale Aktionspläne, Leitfäden, Handbücher, Best Practices und sogar Ratgeber für die Aufnahme umweltbezogener Kriterien für zahlreiche spezifische Leistungsgegenstände veröffentlicht. Bei diesen Maßnahmen handelt es sich jedoch in den meisten Fällen noch nicht einmal um so genanntes soft law. Green Public Procurement (GPP) oder Circular Public Procurement (CPP) scheint in vielerlei Hinsicht noch immer in den Kinderschuhen zu stecken.

Die eben angelobte Bundesregierung setzt sich nun das – wenn auch nur vage konkretisierte – Ziel, einem nachhaltigen öffentlichen Beschaffungswesen auf die Sprünge zu helfen: So sollen u.a. verbindliche ökosoziale Vergabekriterien eingeführt werden. Eine Verlängerung der Schwellenwerte-VO sowie eine mögliche Anhebung der darin enthaltenen Schwellenwerte sollen helfen, eine regionale und ökosoziale Marktwirtschaft fördern. Auf europäischer Ebene möchte man sich für eine Stärkung der Regionalität im Rahmen der Vergabe-RL einsetzen und beim Bestbieterprinzip den Schwerpunkt auf Qualitätskriterien legen.

Die Umsetzung dieser Maßnahmen bleibt freilich abzuwarten. Hierbei wird es nicht bloß auf die Entschlossenheit der Koalitionspartner ankommen. Manche der Vorschläge bräuchten Rückhalt aus der EU, der alles andere als selbstverständlich erscheint. Trotz der offenkundigen Vorteile von Regionalität aus umweltpolitischer und auch sozialer Sicht, dienen die EU-Vorschriften über die öffentliche Auftragsvergabe gerade auch der Verwirklichung eines einheitlichen Binnenmarkts innerhalb der gesamten EU. Eine der vergaberechtlichen Leitentscheidungen zum Diskriminierungsverbot betraf ausgerechnet die Vorgabe eines Auftraggebers, für ein Bauvorhaben vorwiegend lokale Baustoffe, Geräte und Personal zu verwenden (Rs Storebælt). Ferner wird zu sehen sein, ob neue rechtliche Vorgaben allein tatsächlich zu einer verstärkten Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten in öffentlichen Auftragsvergaben führen werden. In Zeiten schrumpfender Budgets könnten Anreize bestehen, Externalitäten bei Berechnung von Lebenszykluskosten weiterhin geringe Beachtung zu schenken. Selbst dort, wo der Wille zu einer nachhaltigeren Beschaffungspolitik vorhanden wäre, fehlt es Studien zufolge (siehe Evaluierung des NABE-Aktionsplans in Österreich sowie hier zu vergleichbaren Projekten in Skandinavien) regelmäßig an Information zur Ausgestaltung von spezifischen Kriterien, zur möglichen Nachweisführung oder zur Bepreisung von Externalitäten. In diesem Sinne wäre neben allfälligen Legislativvorhaben insbesondere auch eine (weitere) Informationsoffensive wünschenswert, um es Auftraggebern leichter zu machen, in Hinkunft von den ihnen jetzt schon offen stehenden Möglichkeiten wirksamer Gebrauch zu machen. Hier könnte auch auf den bisherigen Leistungen des Österreichischen Aktionsplans für nachhaltige öffentliche Beschaffung aufgesetzt werden.

 

13. Januar 2020

 
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