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Nun ist er da – der Ministerialentwurf zum Gesellschaftsrechts-Änderungsgesetz 2023 (GesRÄG 2023). Dieser soll mit einer neuen Gesellschaftsform die lang ersehnte Flexibilität zur individuellen Gestaltung von Startups und anderen innovativen Unternehmen bringen. Nachstehend zeigen wir, welche Besonderheiten die neue Flexible Kapitalgesellschaft (FlexKapG oder alternativ Flexible Company bzw. FlexCo) mit sich bringt.
Bei Aktiengesellschaften und GmbHs war es schon bisher möglich, Mitarbeiter durch „virtuelle Beteiligungen“ (sogenannte Phantom Stocks / Phantom Shares) am Unternehmenserfolg zu beteiligen und damit stärker bzw. auf Dauer an das Unternehmen zu binden. Diese Mitarbeiterbeteiligungen entsprechen allerdings nicht „realen Aktien“ bzw. „realen Geschäftsanteilen“, sondern stellen lediglich einen schuldrechtlichen Anspruch auf Zahlung eines Geldbetrages und gegebenenfalls eine Beteiligung am finanziellen Erfolg des Unternehmens her. Eine gesetzliche Grundlage dafür existiert jedoch nicht, auch sind Phantom Stock Vereinbarungen aufwändig im Einzelfall an die Gesellschaft anzupassen. In der Praxis haben sich daher verschiedene Systeme herausgebildet. Ziel des GesRÄG 2023 ist daher, durch Schaffung einer neuen Kapitalgesellschaftsform, diesem Wildwuchs an Beteiligungsformen eine einheitliche rechtliche Basis zur Beteiligung (von Mitarbeitern) am Unternehmen auf einfache Art und Weise zu ermöglichen: die Flexible Kapitalgesellschaft (FlexKapG). Es sollen zwei Arten von „Beteiligungen“ bestehen – einerseits (wie bisher) klassische Geschäftsanteile sowie sogenannte „Unternehmenswert-Anteile“.
Wesentliche Neuerung der FlexKapG sind die neuen Unternehmenswert-Anteile. Unternehmenswert-Beteiligte (beispielweise Mitarbeiter) haben damit Anspruch auf ihren Anteil am Bilanzgewinn und am Liquidationsgewinn (wobei innerhalb von bestimmten Grenzen davon abweichende Regelungen getroffen werden können). Ihnen kommt aber kein Stimmrecht in der Generalversammlung zu. Ausgenommen davon sind Gesellschafterbeschlüsse, die eine Änderung der Rechte der Unternehmenswert-Beteiligten oder eine Umwandlung von Unternehmenswert-Anteilen in „klassische“ Geschäftsanteile bewirken, die nur mit Zustimmung aller davon betroffenen Unternehmenswert-Beteiligten gefasst werden können. Gesellschaftsvertraglich können weitere Zustimmungsrechte geregelt werden. Zur Teilnahme an der Generalversammlung sind Unternehmenswert-Beteiligte aber jedenfalls berechtigt, auch wenn ihnen kein Recht zur Beschlussbekämpfung (Anfechtung/Nichtigerklärung) zukommt.
Für die Übernahme als auch die Übertragung dieser Anteile reicht die Einhaltung der Schriftform aus – ein Notariatsakt ist nicht erforderlich. Handelt es sich bei den Unternehmenswert-Beteiligten um Mitarbeiter, sieht das Gesetz bestimmte Aufklärungspflichten vor der Übernahme der Unternehmenswert-Anteile vor. Die Anteile werden nicht namentlich (sondern nur gesammelt unter Angabe der auf sämtliche Unternehmenswert-Anteile entfallenden sowie geleisteten Stammeinlage) im Firmenbuch eigentragen. Von der Geschäftsführung ist jedoch ein entsprechendes Anteilsbuch unter Angabe von Name und Geburtsdatum der Unternehmenswert-Beteiligten zu führen.
Der Mindest-Nennbetrag von Stückanteilen dieser Unternehmenswert-Anteile beträgt einen Cent. Um das Risiko gering zu halten, ist dieser Mindestbetrag sofort voll einzubezahlen und die Unternehmenswert-Beteiligten trifft keine Ausfallshaftung bzw. Nachschusspflicht. Unternehmenswert-Anteile dürfen jedoch 25 % des Stammkapitals nicht erreichen.
Für den Fall, dass die Gründungsgesellschafter ihre Geschäftsanteile mehrheitlich (sohin über 50 % des Stammkapitals) verkaufen, ist in den Gesellschaftsvertrag der FlexKapG ein „Mitverkaufsrecht“ zugunsten der Unternehmenswert-Beteiligten aufzunehmen, sodass der Käufer diesen den Erwerb ihrer Anteile zu denselben Konditionen anbieten muss.
Auch für klassische Geschäftsanteile sieht das Gesetz besondere Regelungen vor. Erstmals können diese Anteile – neben Notaren – auch durch Rechtsanwälte, durch Errichtung einer Urkunde, übertragen werden. Gleiches gilt, wenn eine Übernahmeerklärung im Zuge einer Kapitalerhöhung, bei einem genehmigten Kapital oder bei der Ausübung eines Bezugsrechts erfolgt. Den Notar bzw. Rechtsanwalt trifft insoweit eine Aufklärungspflicht über die damit verbundenen Rechtsfolgen. Darüber hinaus kann im Gesellschaftsvertrag vorgesehen werden, dass die Geschäftsanteile in Stammeinlageanteile „gestückelt“ werden. Jeder Gesellschafter kann daher – abweichend von der GmbH – über mehrere Stückanteile getrennt verfügen. Vorteil dadurch ist, dass unterschiedliche Klassen an Geschäftsanteilen (zB mit unterschiedlicher Gewinnbeteiligung) geschaffen werden können.
Auch bei den Rechten der Gesellschafter ändert sich einiges: Einer der zentralen – unabdingbaren – Bestimmungen des GmbHG ist es, dass für einen schriftlichen Umlaufbeschluss die Zustimmung zur schriftlichen Beschlussfassung sämtlicher Gesellschafter erforderlich ist. Mit der FlexKapG wird diese Regelung durchbrochen, da im Gesellschaftsvertrag davon ausdrücklich abgegangen werden kann. In diesem Fall muss aber für eine gültige schriftliche Beschlussfassung allen stimmberechtigten Gesellschaftern eine Teilnahme an der Abstimmung ermöglicht werden. Es besteht sohin kein gesetzliches Mindestteilnahmequorum. Für die Gesellschafter hat dies den Vorteil, dass Umlaufbeschlüsse schneller gefasst werden können. Zu beachten gilt dabei aber für das Beschlussergebnis dennoch § 34 Abs 2 GmbHG: das bedeutet, dass für einen wirksamen Umlaufbeschluss die jeweiligen gesetzlichen Zustimmungserfordernisse (gemessen an der Gesamtzahl der allen Gesellschaftern zustehenden Stimmen) einzuholen sind.
Besitzt ein Gesellschafter über mehrere Stimmrechte, kann er seine Stimmrechte uneinheitlich ausüben. Nach den Erläuterungen soll dadurch insbesondere allenfalls treuhändig gehaltenen Stimmen Rechnung getragen werden. Beispiel: Gesellschafter X verfügt über 10 Stimmrechte, davon werden zwei Stimmen treuhändig gehalten. Für seine eigenen 8 Stimmen stimmt er der Beschlussfassung zu, für die zwei treuhändig gehaltenen Stimmen, stimmt er dagegen.
Die FlexKapG ist eine abgewandelte Form der GmbH – soweit das FlexKapG-Gesetz keine Sonderbestimmungen vorsieht, sind die Regelungen des GmbH-Gesetzes auf diese anwendbar. Das Mindeststammkapital beträgt EUR 10.000,00 (dies gilt im Übrigen zukünftig auch für die GmbH). Im Gegensatz zur GmbH, welche eine Mindeststammeinlage je Gesellschafter von EUR 70,00 vorsieht, wird die diese bei der FlexKapG lediglich EUR 1,00 betragen.
Neben den angeführten Neuerungen sieht der Ministerialentwurf insbesondere auch (vom GmbHG abweichende) Regelungen für die bedingte Kapitalerhöhung, die Kapitalherabsetzung und die Ausübung von Bezugsrechten vor.
Sie sind Gesellschafter einer GmbH und möchten die Vorzüge der FlexKapG zukünftig nutzen? Dann haben wir gute Nachrichten für Sie – der Ministerialentwurf sieht vor, dass eine GmbH einfach mittels Beschluss der Generalversammlung in eine FlexKapG umgewandelt werden kann, ohne dass besondere Gläubigerschutzbestimmungen oder Abfindungsregelungen zu beachten sind. Freilich ist es auch möglich, FlexKapG in eine GmbH oder eine AG umzuwandeln.
Der Ministerialentwurf sieht vor, dass das Bundesgesetz mit 01.11.2023 in Kraft treten soll. Wir bleiben für Sie dran und informieren Sie, sollten noch wesentliche Änderungen des Entwurfes eintreten.
Für die Beantwortung weiterer Fragen zu diesem Thema stehen Ihnen unsere Expertinnen und Experten Julia Goth, Christoph Harringer und Roman Büchel aus dem Team Unternehmens- und Gesellschaftsrecht gerne zur Verfügung.
Dieser Beitrag stellt lediglich eine allgemeine Information dar und ersetzt keine Rechtsberatung. Die Haslinger / Nagele Rechtsanwälte GmbH übernimmt keinerlei Haftung für Inhalt und Richtigkeit dieses Beitrages.
31. Mai 2023