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Demonstrationen raus aus den Stadtzentren?


Die Idee ist nicht ganz neu (Stichwort: „Demozonen“), dass sie nicht umgesetzt wurde, hat freilich Gründe. Nunmehr ist die Debatte angesichts der wöchentlich stattfindenden „Corona-Demos“ und einer wirtschaftlich angespannten Situation des stationären Handels neu entflammt.

Wie der rechtliche Rahmen für Einschränkungen von Versammlungen aussieht, hat Partnerin Kerstin Holzinger in einem Gespräch mit dem Kurier erklärt.

Zusätzlich beantworten wir hier die zentralen Fragen zum Thema:

Kann eine Demo ganz untersagtverlegt oder zeitlich eingeschränkt werden?

Demonstrationen sind als Versammlungen grundrechtlich besonders geschützt. Sowohl das Staatsgrundgesetz aus 1867 als auch die Europäische Menschenrechtskonvention gewähren einen grundrechtlichen Schutz für Versammlungen.

Versammlungen sind nach dem Versammlungsgesetz spätestens 48 Stunden vor dem Zeitpunkt der beabsichtigten Abhaltung unter Angabe des Zwecks, des Ortes und der Zeit der Versammlung bei der Behörde schriftlich anzuzeigen (wenn Vertreter ausländischer Staaten, internationaler Organisationen oder anderer Völkerrechtssubjekte an der Versammlung teilnehmen sollen, muss die Anzeige eine Woche vorher einlangen). Von Gesetzes wegen (nach dem Versammlungsgesetz) kommt der Behörde nur die Möglichkeit zu, Versammlungen zu untersagen. Dies kann geschehen, wenn einer von drei Gründen verwirklicht ist:

  • Widerspruch zu den Strafgesetzen (bspw. Verstoß gegen Verbotsgesetz)
  • Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder des öffentlichen Wohls (bspw. Demos vor Justizanstalt, die Tumulte in der Anstalt befürchten lassen, mehrstündige Blockade wesentlicher Verkehrsrouten, die Verkehrschaos befürchten lassen [anders bei thematischem Zusammenhang von Anlass und Ort der Versammlung, bspw. Demo bezüglich Transitverkehr]), gezielte Störung der Ausübung von Grundrechten [bspw. Religionsausübung]).
  • Widerspruch zu versammlungsrechtlichen Bestimmungen (bspw. „Bannmeile“ um Nationalrat, Bundesrat, Bundesversammlung, Landtag: während deren Versammlung darf im Umkreis von 300 m von ihrem Sitz keine Versammlung unter freiem Himmel stattfinden).

Eine Abänderung in örtlicher oder zeitlicher Hinsicht kann die Behörde nicht von sich aus anordnen, das Versammlungsgesetz ermöglicht nur die generelle Untersagung. Kommt die Behörde daher zu dem Ergebnis, dass die angezeigte Versammlung untersagt werden müsste, hat sie dies dem Veranstalter mitzuteilen und auf eine Änderung der Anzeige hinzuwirken. Selbst Abändern darf die Behörde die Anzeige nicht. Kommt der Veranstalter der Aufforderung der Behörde zur Abänderung seiner Anzeige nicht nach, ist die Versammlung zu untersagen.

Grundlage für eine Untersagung müssen klare und gegenwärtige Gefährdungslagen sein, bloße Prognosen und Befürchtungen genügen nicht. Der VfGH geht etwa davon aus, dass auch die Möglichkeit von gewaltsamen Gegendemonstrationen oder die Möglichkeit, dass sich Extremisten mit gewaltsamen Absichten einer Demonstration anschließen, deren Untersagung nicht rechtfertigen kann. Selbst wenn das theoretische Risiko gewaltsamer Zusammenstöße bestehen sollte, wäre es Aufgabe der Polizei, sich zwischen die beiden Gruppen zu stellen und die öffentliche Ordnung aufrecht zu erhalten. Konkrete Erfahrungen der Behörde bei vergleichbaren Versammlungen oder Berichten darüber können eine Untersagung hingegen begründen (vgl. zum Word Economic Forum in Salzburg im Jahr 2002).

Wer ist zuständig?

Zuständige Behörde zur Entscheidung über Versammlungen sind grundsätzlich die Bezirksverwaltungsbehörden, sonst die Landespolizeidirektionen. Gegen Entscheidungen der Behörden kann das jeweilige Landesverwaltungsgericht angerufen werden. Die oberste Versammlungsbehörde ist der Innenminister.

Die Anzeige hat bei der Behörde grundsätzlich spätestens 48 Stunden vor Beginn der Versammlung einzulangen. Wenn die Behörde zu dem Ergebnis kommt, dass die Versammlung in der angezeigten Form untersagt werden müsste, nimmt sie Kontakt mit dem Veranstalter auf. Die Anzeige kann dann so geändert werden, dass die Versammlung nicht untersagt werden muss. Geschieht dies nicht, wird die Versammlung untersagt.

Was gilt es zu berücksichtigen?

Die besondere gesellschaftliche Bedeutung von Versammlungen steht in engem Zusammenhang mit der Meinungsäußerungsfreiheit. Die Möglichkeit kollektiver, öffentlicher Meinungsäußerung hat einen hohen Stellenwert in einer Demokratie – die ausübbare Versammlungsfreiheit gilt hier als Gradmesser für eine funktionierende Demokratie.

Umgekehrt kommt es gerade durch Ausübung von Versammlungsfreiheit oftmals auch zu Kollisionen mit anderen Grundrechte, etwa wirtschaftlichen Interessen von Gewerbetreibenden, wenn Demonstrationen in Innenstädten zu wichtigen Geschäftszeiten Kunden abhalten oder Demonstrationen wichtige Verkehrsrouten blockieren. Gerade dieser Konflikt mit den Rechten und Freiheiten anderer sichern Demonstrationen aber wiederum die Aufmerksamkeit, die sie brauchen, um ihr Anliegen zu verbreiten.

Wann kann eine Demo aufgelöst werden?

Die bloße Verletzung der Anzeigepflicht rechtfertigt nicht die Auflösung einer Demonstration.

Aufzulösen ist eine Demonstration, wenn sich in der Versammlung gesetzwidrige Vorgänge ereignen oder wenn sie einen gegen die öffentliche Ordnung bedrohenden Charakter annimmt – beispielsweise also bei nationalsozialistischer Propaganda, wiederholter Verwendung von Raketen/Wurfgeschosssurrogaten oder die Blockade von Bauarbeiten. Jedenfalls aufzulösen sind Versammlungen innerhalb der Bannmeile.

Gelten Corona-Regeln auch für Corona-Demos?

An Demos teilnehmen dürfen auch Personen ohne 2G-Nachweise (für die ansonsten aktuell noch ein „Lockdown“ mit Ausgangsbeschränkungen gilt); damit wird dem hohen verfassungsrechtlichen Stellenwert von Versammlungen Rechnung getragen. Es besteht allerdings Maskenpflicht im Freien.

Sonstige Beschränkungen, die für „Zusammenkünfte“ gelten (Beschränkung der Personenzahl, zugewiesene Sitzplätze etc.) gelten ebenfalls für Versammlungen nach dem Versammlungsgesetz nicht. Allerdings muss bei Zusammenkünften von mehr als 50 Personen ein COVID-19-Beauftragter bestellt und ein COVID-19-Präventionskonzept ausgearbeitet und umgesetzt werden.

Für die Beantwortung weiterer Fragen zu diesem Thema steht Ihnen unsere Expertin Kerstin Holzinger gerne telefonisch oder unter akut@hnp.at zur Verfügung.

Disclaimer

Dieser Beitrag stellt lediglich eine allgemeine Information dar und ersetzt keine Rechtsberatung. Haslinger / Nagele übernimmt keinerlei Haftung für Inhalt und Richtigkeit dieses Beitrages.

 

26. Januar 2022

 
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