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Gewährleistung neu – was Unternehmer dazu wissen sollten


Der technologische Fortschritt und die immer dichter werdende Digitalisierung haben den europäischen Gesetzgeber dazu veranlasst, im Bereich des Gewährleistungsrechts zwei neue Richtlinien (Digitale-Inhalte-Richtlinie und Warenkauf-Richtlinie) zu erlassen, welche der nationalen Umsetzung bedürfen. Ein Überblick:

Ein neues Gesetz, aber ein bewährtes System

Die Umsetzung der beiden Richtlinien soll in Österreich durch das Gewährleistungsrichtlinien-Umsetzungsgesetz (GRUG) erfolgen (die Regierungsvorlage wurde in der Plenarsitzung des Nationalrates vom 07.07.2021 in dritter Lesung angenommen, näheres hierzu hier), das grundsätzlich zwei wesentliche Säulen vorsieht:

  • Die Einführung eines gänzlich neuen Gesetzes: Verbrauchergewährleistungsgesetz (VGG), sowie vereinzelte 
  • Anpassungen des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB); vereinzelt auch des Konsumentenschutzgesetzes (KSchG).

Das neue VGG und die sonstigen gesetzlichen Anpassungen sollen – wie von der EU vorgegeben – für Verträge, die ab 01.01.2022 abgeschlossen werden, gelten.

Vorweggenommen werden kann, dass sich am grundlegenden Konzept des Gewährleistungsrechts nichts verändert hat; lediglich der Begriff des sekundären Gewährleistungsbehelfes „Wandlung“ wurde in „Vertragsauflösung“ umbenannt. Nach Auflösung eines Vertrags hat der Verbraucher dem Unternehmer die Ware auf dessen Kosten zurückzustellen. Neu ist, dass der Unternehmer nun berechtigt ist, die Rückzahlung des Kaufpreises zu verweigern, bis er entweder die Ware zurückerhalten oder ihm der Verbraucher einen Nachweis über die Rücksendung der Ware erbracht hat.

Anwendungsbereich des neuen VGG

Das VGG bildet das Kernstück des neuen österreichischen Gewährleistungsrechts und gilt ausschließlich für den B2C-Bereich, also zwischen Unternehmer und Verbraucher. Es umfasst sowohl

  • Verträge über den Kauf von Waren (bewegliche körperliche Sachen) einschließlich solcher, die erst herzustellen sind (Werklieferungsverträge), als auch
  • Verträge über die Bereitstellung digitaler Leistungen (= digitale Inhalte und Dienstleistungen).

Da bei digitalen Inhalten nicht auf einen Kauf, sondern auf eine Bereitstellung an sich abgestellt wird, sind auch sogenannte fortdauernde Softwareüberlassungen (zB eines Antivirenprogrammes, Computerspieles) von den Gewährleistungsbestimmungen des VGG erfasst.

Für sonstige Verträge (zB Verträge über Liegenschaften, Tauschverträge, Werkverträge) gelten weiterhin die Gewährleistungsnormen des ABGB.

Es wird daher in Zukunft immer eine Abgrenzung / Einordnung erfolgen müssen, ob auf ein bestimmtes Vertragsverhältnis das Gewährleistungsregime des VGG oder des ABGB anzuwenden ist.

Unterschiedliche Gewährleistungsregime

Nachfolgend ein kurzer Überblick über ausgewählte Regelungen, die in den Gewährleistungsregimen (ABGB oder VGG) unterschiedlich ausgestaltet sind:

  • Verträge, bei denen Verbraucher Daten (anstatt Zahlung) als Gegenleistung zur Verfügung stellen, werden künftig in das Verbraucher-Gewährleistungsrecht miteinbezogen (konkret in den Anwendungsbereich des VGG). Verbraucher haben daher in Zukunft (auch) Anspruch auf vertragliche Rechtsbehelfe, wenn sie mit ihren Daten „bezahlt“ haben.
  • Eine der wesentlichsten Änderungen ist auch die Verlängerung der sogenannten Vermutungsfrist im Anwendungsbereich des VGG. Gemäß des bisherigen § 924 ABGB wurde bei Auftreten eines Mangels innerhalb von sechs Monaten ab Übergabe vermutet, dass der Mangel schon zum Zeitpunkt der Übergabe vorlag (nicht der Käufer muss beweisen, dass der Mangel im Zeitpunkt der Übergabe vorlag, sondern der Verkäufer muss beweisen, dass dem nicht so war). Im Anwendungsbereich des VGG wird diese Frist, innerhalb der es zu einer Beweislastumkehr zugunsten des Verbrauchers kommt, auf ein Jahr ausgedehnt. Im Anwendungsbereich des ABGB bleibt jedoch die Vermutungsfrist von sechs Monaten weiterhin aufrecht.
  • Für digitale Leistungen und Waren mit digitalen Elementen (zB Smartphone, Smartwatch) wird eine Aktualisierungspflicht des Unternehmers eingeführt (diese gilt auch im B2B-Bereich, also zwischen zwei Unternehmern). Das bedeutet, dass der Unternehmer dafür haftet, dass dem Übernehmer jene Aktualisierungen zur Verfügung gestellt werden, die notwendig sind, damit die Ware oder digitale Leistung weiterhin dem Vertrag entspricht. Der Unternehmer muss daher die zur Aufrechterhaltung der Mängelfreiheit erforderlichen Updates (während bestimmter Zeiträume) zur Verfügung stellen.
  • Objektiv(er)en Mangelbegriff: Ein Unternehmer haftet künftig dafür, dass seine Ware / digitale Leistung neben den vertraglich vereinbarten Eigenschaften auch die objektiv erforderlichen Eigenschaften aufweist (die üblicherweise oder aufgrund einer Probe / einem Muster erwartbaren Eigenschaften). Eine Vereinbarung über die Abweichung von den objektiv erforderlichen Eigenschaften bedarf einer ausdrücklichen, gesonderten Zustimmung des Verbrauchers.
  • Es besteht künftig Formfreiheit bei der Geltendmachung der Preisminderung bzw Vertragsauflösung. Diese Gewährleistungsbehelfe können nun vom Verbraucher durch formfreie (außergerichtliche) Erklärung geltend gemacht werden. Das Erfordernis der gerichtlichen Geltendmachung entfällt somit.
  • Kombination von Gewährleistungs- und Verjährungsfrist: Die allgemeinen Gewährleistungsfristen, also jene Fristen, innerhalb der der Mangel auftreten muss (bewegliche Sachen / digitale Leistungen: zwei Jahre, unbewegliche Sachen: drei Jahre) bleiben unverändert; neu ist hingegen, dass nach Ablauf der Gewährleistungsfrist eine zusätzliche Verjährungsfrist von drei Monaten vorgesehen ist, innerhalb der der Mangel gegebenenfalls gerichtlich geltend gemacht werden muss.

Für die Beantwortung weiterer Fragen zu diesem Thema stehen Ihnen unsere Expertinnen Julia Goth und Julia Wagner gerne zur Verfügung.

Disclaimer

Dieser Beitrag stellt lediglich eine allgemeine Information dar und ersetzt keine Rechtsberatung. Die Haslinger / Nagele Rechtsanwälte GmbH übernimmt keinerlei Haftung für Inhalt und Richtigkeit dieses Beitrages.

 

7. Juli 2021

 
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