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Life Sciences & Gesundheitsrecht

Der EHDS – Neue Regeln für Gesundheitsdaten: Überblick und Ausblick


Autorinnen: Dominique Korbel und Gisela Ernst

Am 25. März 2025 ist die Verordnung (EU) 2025/327 über den Europäischen Gesundheitsdatenraum (EHDS-VO) in Kraft getreten – ein bedeutender Schritt in der Digitalisierung des Gesundheitswesens in Europa.

Der Europäische Gesundheitsdatenraum (European Health Data Space – EHDS) soll den sicheren und effizienten Austausch von Gesundheitsdaten über Ländergrenzen hinweg ermöglichen und ist als erster gemeinsamer EU-Datenraum Teil der Europäischen Datenstrategie. Die Verordnung baut auf der DSGVO, dem Daten-Governance-Rechtsakt sowie der Datenverordnung auf und enthält zusätzliche spezifische Vorschriften für das Gesundheitswesen. Die EHDS-VO adressiert den unionsweiten Zugang zu elektronischen Gesundheitsdaten sowohl für die Erbringung von Gesundheitsdienstleistungen (Primärnutzung) als auch zur Weiterverwendung wie etwa zu Forschungs- oder Innovationszwecken (Sekundärnutzung). Darüber hinaus bietet die Verordnung einen harmonisierten Rechtsrahmen für Systeme zur Aufzeichnung elektronischer Gesundheitsdaten (Electronic Health Records Systems – EHR-Systeme). 

Im Folgenden werfen wir einen Blick auf ausgewählte Aspekte der EHDS-VO und mögliche Herausforderungen, die sich durch das neue Regelungswerk stellen.

Primärnutzung von Gesundheitsdaten

Die EHDS-VO regelt die Primärnutzung von Gesundheitsdaten mit dem Ziel, es Einzelpersonen zu ermöglichen und zu erleichtern, ihre elektronischen Gesundheitsdaten grenzüberschreitend für die Erbringung von Gesundheitsdienstleistungen einzusehen, zu kontrollieren und weiterzugeben.

Patient:innen haben das Recht, den Zugang zu ihren personenbezogenen elektronischen Gesundheitsdaten, die über EHDS-Infrastrukturen ausgetauscht werden, ganz oder teilweise zu beschränken (Art 8 EHDS-VO). Zudem können die Mitgliedstaaten in ihren nationalen Vorschriften eine Opt-out-Option für den grenzüberschreitenden Austausch elektronischer Gesundheitsdaten im Rahmen des EHDS anbieten (Art 10 EHDS-VO), die nationale Speicherung bleibt davon unberührt.

Die EHDS-VO definiert prioritäre Kategorien, die elektronisch in EHR-Systemen standardkonform, national registriert und unionsweit zugänglich gemacht werden müssen. Zu diesen Kategorien gehören gemäß Art 14 EHDS-VO verschiedene Kategorien von Daten. Der Status Österreichs in Bezug auf die Verfügbarkeit dieser Daten (in ELGA) stellt sich wie folgt dar:

  • Das Patient Summary (Patientenkurzakt), also die standardisierte Kurzübersicht über wesentliche Patientendaten, ist in Österreich aktuell noch nicht in ELGA integriert. Allerdings gibt es bereits Konzeptionsarbeiten, die bereits sehr vorangeschritten sind und den Weg für eine künftige Implementierung ebnen. Es sind allerdings bereits alle technischen Voraussetzungen gegeben, sodass Österreich hier auch unionsweit eine Vorreiter- und Vorbildrolle einnimmt.
  • Die elektronische Verschreibung (ePrescirption und eDispensation) ist in Österreich in nationaler Form durch das E-Rezept etabliert. Allerdings müssen die bestehenden Systeme noch an die EHDS-Standards angepasst werden, um eine unionsweite Interoperabilität sicherzustellen.
  • Im Bereich der Bildbefunde (z. B. Röntgen- oder MRT-Bilder) ist die technische Basis bereits geschaffen. Dennoch befindet sich die flächendeckende Umsetzung noch in der Ausrollphase, sodass noch nicht alle Gesundheitsdiensteanbieter in Österreich bereits vollständig angebunden sind und entsprechende Befunde einmelden können.  

Es sind allerdings bereits alle technischen Voraussetzungen gegeben, sodass Österreich hier auch unionsweit eine Vorreiter- und Vorbildrolle einnimmt.

  • Für verschiedene Befundarten, insbesondere Laborbefunde, wird aktuell eine Erweiterung vorgenommen. Ab 1. Juli 2025 müssen niedergelassene Ärzt:innen Labor- und Radiologiebefunde und die zugehörigen Bilder in ELGA speichern. Ab 1.1.2026 müssen alle relevanten Gesundheitsdaten in der ELGA gespeichert werden, ab 1.1.2028 schließlich auch Pathologiebefunde.
  • Der Entlassungsbericht (in Österreich: Entlassungsbrief) wird bei Entlassung aus der Krankenanstalt bereits standardmäßig in ELGA verfügbar gemacht.

Zusammengefasst ist Österreich im europäischen Vergleich bereits sehr gut aufgestellt. Viele Gesundheitsdaten sind strukturiert in ELGA erfasst, was eine solide Ausgangsbasis für die Anpassung an die EHDS-Vorgaben bietet.

Sekundärnutzung von Gesundheitsdaten

Die EHDS-VO regelt die Sekundärnutzung von Gesundheitsdaten mit dem Ziel, Forschung, Innovation und evidenzbasierte Politikgestaltung in der EU zu fördern. Derzeit besteht aufgrund zahlreicher Öffnungsklauseln der DSGVO kein homogener Rechtsrahmen für die Sekundärnutzung von Gesundheitsdaten in der EU, was zu einer beschränkten grenzüberschreitenden Verfügbarkeit elektronischer Gesundheitsdaten und unter anderem zu Schwierigkeiten bei grenzüberschreitenden Forschungsprojekten führt. Auch auf nationaler Ebene besteht ein solcher nicht, da die meisten Datensätze aus politischen oder rechtlichen Gründen nicht über das sogenannte AMDC (Austrian Micro Data Center) verfügbar gemacht wurden.

Mit der EHDS-VO wurde nun ein einheitlicher Rechtsrahmen für den Zugang zu elektronischen Gesundheitsdaten für die Sekundärnutzung in der EU geschaffen, der einen Rechtsanspruch auf Bereitstellung von elektronischen Gesundheitsdaten bei Erfüllung der in der EHDS-VO (Kapitel IV) normierten Voraussetzungen gewährt. Andere Rechtsakte der Union, die auch die Sekundärnutzung von elektronischen Gesundheitsdaten zum Gegenstand haben, werden von der EHDS-VO nicht berührt.

  • Was ist unter Sekundärnutzung elektronischer Gesundheitsdaten zu verstehen?

EHDS-VO versteht unter einer Sekundärnutzung die Verarbeitung elektronischer Gesundheitsdaten für die in Kapitel IV EHDS-VO genannten Zwecke, sofern es sich nicht um die Zwecke handelt, für die sie ursprünglich erhoben oder erstellt wurden. Für eine Einstufung wird daher der vom Gesundheitsdateninhaber festgelegte Primärnutzungszweck und der vom Gesundheitsdatennutzer verfolgte Sekundärnutzungszweck zu vergleichen sein.

  • Zulässige Zwecke der Sekundärnutzung  

 Die Sekundärnutzung von Gesundheitsdaten ist auf bestimmte Zwecke beschränkt (Art 53 Abs 1 EHDS-VO). Die EHDS-VO unterscheidet dabei folgende sechs Zweckkategorien:

  1. Öffentliches Interesse im Bereich der öffentlichen Gesundheit und der Gesundheit am Arbeitsplatz,
  2. Politikgestaltung und Regulierungstätigkeiten,
  3. Statistiken im Bereich des Gesundheitswesens oder des Pflegesektors,
  4. Bildungs- und Lehrtätigkeiten im Gesundheitswesen oder im Pflegesektor auf Ebene der Berufs- oder Hochschulbildung,
  5. Wissenschaftliche Forschung einschließlich Entwicklungs- und Innovationstätigkeiten für Produkte oder Dienstleistungen und das Trainieren, Testen und Bewerten von Algorithmen,
  6. Verbesserung der Pflege, Optimierung der Behandlung und der Gesundheitsversorgung.

Die ersten drei Kategorien sind öffentlichen Stellen sowie Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union vorbehalten, die die ihnen durch das Unionsrecht oder das nationale Recht übertragenen Aufgaben wahrnehmen. Die übrigen Kategorien stehen hingegen grundsätzlich allen Datennutzern zur Verfügung.

  • Zugangsregelungen

Der Zugang zu den Gesundheitsdaten erfolgt über nationale Zugangsstellen (Data Acess Bodies), die über die EU-Infrastruktur HealthData@EU miteinander verbunden sind. Obwohl das aktuelle Regierungsprogramm den EHDS an mehreren Stellen adressiert, geht daraus noch nicht hervor, wem diese Zuständigkeit auf nationaler Ebene zukommen soll.

Der Zugang erfolgt auf Grundlage einer Datengenehmigung (Art 68 EHDS-VO), einer genehmigten Gesundheitsdatenanfrage (Art 69 EHDS-VO) oder einer Zugangserlaubnis eines befugten Teilnehmers der HealthData@EU. Gesundheitsdateninhaber sind (bei Anforderung der Zugangsstelle aus Anlass einer Datengenehmigung oder Gesundheitsdatenanfrage) verpflichtet, bestimmte Kategorien von Daten bereitzustellen, darunter elektronische Gesundheitsdaten aus EHR-Systemen, klinischen Studien und medizinischen Registern. Die Daten werden grundsätzlich in anonymisierter, sofern es der Verarbeitungszweck erfordert auch in pseudonymisierter Form bereitgestellt. 

Die EHDS-VO legt zudem auch ausdrücklich verbotene Verarbeitungszwecke fest, zB um Entscheidungen zum Schaden natürlicher Person zu treffen, zur Durchführung von Werbe- oder Vermarktungszwecken oder zur Entwicklung von schädlichen Produkten, wie illegale Drogen oder alkoholische Getränke (Art 54 EHDS-VO).

  • Betroffenenrechte

Die Zugangsstelle sind verpflichtet Informationen über die Bedingungen, unter denen elektronische Gesundheitsdaten für die Sekundärnutzung zur Verfügung gestellt werden, öffentlich verfügbar, auf elektronischem Wege leicht durchsuchbar und für natürliche Personen zugänglich zu machen. Zudem haben Betroffene ein Widerspruchsrecht gegen die Verarbeitung ihrer personenbezogenen elektronischen Gesundheitsdaten im Rahmen einer Sekundärnutzung, womit schlussendlich eine zuvor diskutierte Opt-Out-Lösung realisiert wurde.

Ausblick

Das Schrittweise Inkrafttreten ab 2027 zeigt bereits jetzt Auswirkungen auf unterschiedlichste Akteure im Gesundheitswesen und wird unterschiedliche Regularien im (österreichischen) Gesundheitswesen nachhaltig prägen. Wir dürfen daher mit zahlreichen Anpassungen auf Gesetz- und Verordnungsebene (insbesondere im GTelG und den darauf basierenden Verordnungen) sowie neuen Kompetenzen einiger Stellen als „Health Data Access Bodies“ rechnen.

Gerne halten Sie unsere Gesundheitsrechtsexpert:innen zu all diesen Entwicklungen auf dem Laufenden und stehen für weitere Fragen zu diesen Themen sowie Unterstützung in der Praxis zur Verfügung.

Disclaimer

Dieser Beitrag stellt lediglich eine allgemeine Information dar und ersetzt keine Rechtsberatung. Die Haslinger / Nagele Rechtsanwälte GmbH übernimmt keinerlei Haftung für Inhalt und Richtigkeit dieses Beitrages.

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2. April 2025

 
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