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Von verlorenen Koffern und verspäteten Zügen


Jeder Reisende kennt das: Verloren gegangene Gepäckstücke, Flug- oder Zugausfälle, lange Wartezeiten – die Liste an potentiellen Ärgernissen ist schier endlos. Während es für den Reisenden letztlich nur darauf ankommt, das dringend benötigte Gepäckstück wieder zu bekommen oder gut am Reiseziel anzukommen, führen derartige Vorfälle vielfach zu Streitigkeiten zwischen den befördernden Unternehmen, insbesondere im internationalen Personen- und Gütertransport. Die Rechtslage ist vielschichtig und zeichnet sich durch ein Nebeneinander an internationalen, unionalen und nationalen Regeln aus. Der OGH hat dem EuGH dazu kürzlich eine Vorlagefrage gestellt.

Wie ist die Rechtslage?

Internationale Übereinkommen haben sich in den letzten Jahrzehnten insbesondere bei grenzüberschreitenden Transporten immer mehr durchgesetzt. Durch diese zwingenden Regelungen wird die Geltung der einschlägigen Bestimmungen der nationalen Regelungen zurückgedrängt. Auch das Übereinkommen über den internationalen Eisenbahnverkehr (COTIF) entfaltet eine solche Wirkung. Dies führt dazu, dass sich in transportrechtlichen Verträgen im Eisenbahnverkehr regelmäßig ein Verweis auf die Haftungsregelungen des COTIF bzw. seiner Anhänge findet.

Vorabentscheidungsverfahren vor dem EuGH

Zur Abstimmung der Regelungen des internationalen Eisenbahnrechts mit jenen des Unionsrechts hat der OGH dem EuGH einige Vorlagefragen gestellt. Darin geht es insbesondere darum, ob der EuGH für die Auslegung der „Einheitlichen Rechtsvorschriften über die Nutzung der Infrastruktur im internationalen Eisenbahnverkehr“ (CUI; Anhang E COTIF) zuständig ist, ohne dass dies durch EU-Sekundärrecht explizit angeordnet worden wäre. Daneben möchte der OGH vom EuGH wissen, ob die Haftungsregelungen der internationalen Übereinkommen durch den pauschalen Verweis auf nationales Recht erweitert werden können.

Hintergrund

Da die EU dem COTIF im Jahr 2011 beigetreten ist, gilt für EU-Mitgliedstaaten, die auch gleichzeitig Mitglieder der „Zwischenstaatlichen Organisation für den internationalen Eisenbahnverkehr“ (OTIF) sind, dass diese EU-Recht statt OTIF-Recht unterliegen. Dies ergibt sich aus der Abkoppelungsklausel in Art 2 der OTIF/EU-Vereinbarung aus dem Jahr 2011. Kommt es zu einer Kollision zwischen EU-Recht und Verpflichtungen aus den OTIF-Bestimmungen, hat das EU-Recht Vorrang.

Ob der EuGH nun zur Auslegung des CUI zuständig ist, hängt insbesondere davon ab, in welchem Umfang der EU eine ausschließliche Zuständigkeit im Hinblick auf die vorliegenden Regelungen des COTIF zukommt. So hatte der EuGH in einem früheren Verfahren schon die „Einheitlichen Rechtsvorschriften für den Vertrag über die internationale Eisenbahnbeförderung von Personen“ (CIV; Anhang A zum COTIF) ausgelegt. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass die Anwendung des CIV in der Union durch eine EU-Verordnung angeordnet wurde und somit ein Rechtsakt der Union vorliegt. Dies gilt für die CUI jedoch nicht.

Zulässigkeit pauschaler Verweise auf Haftungsbestimmungen

Um die Frage der Zulässigkeit des pauschalen Verweises auf nationales Recht beantworten zu können, ist eine Auslegung des Art 4 CUI notwendig. Dieser erlaubt eine Erweiterung der Haftung. Fraglich ist jedoch, ob ein pauschaler Verweis auf die österreichischen Haftungsregeln des ABGB, UGB und EKHG als „Erweiterung“ i.S.d. Art 4 gesehen werden kann.

Es bleibt abzuwarten, wie der EuGH diese Auslegungsfragen behandeln wird. Die Entscheidung wird jedenfalls eine große Bedeutung für die zukünftige Ausgestaltung von Verträgen im internationalen Transportrecht haben.

Für die Beantwortung weiterer Fragen zu diesem Thema stehen Ihnen unsere Experten Johannes Hartlieb und Christoph Juricek aus dem Team Regulierungsrecht gerne zur Verfügung.

Disclaimer

Dieser Beitrag stellt lediglich eine allgemeine Information dar und ersetzt keine Rechtsberatung. Die Haslinger / Nagele Rechtsanwälte GmbH übernimmt keinerlei Haftung für Inhalt und Richtigkeit dieses Beitrages.

 

30. November 2021

 
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