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In einer aktuellen Entscheidung befasst sich der EuGH erneut mit dem (möglichen) Ausschluss eines Bieters von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren, wenn dieser Bieter „im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit eine schwere Verfehlung“ begangen hat, und trifft dabei bedeutsame Klarstellungen.
Im Wege des Vergabeverfahrens soll ein geeigneter, zuverlässiger und leistungsfähiger Bieter mit der Erbringung der benötigten Leistung betraut werden. Bestimmte Gründe berechtigen den öffentlichen Auftraggeber zum Ausschluss eines Bieters aus dem Vergabeverfahren. Dazu zählt unter anderem die schwere berufliche Verfehlung eines Bieters im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit gemäß Art 57 Abs 4 lit c VergabeRL. In Österreich wurde diese Bestimmung durch § 78 Abs 1 Z 5 BVergG 2018 umgesetzt.
Mit seinem Beschluss vom 04.06.2019 in der Rechtssache CNS (C-425/18) wiederholt der EuGH zunächst, dass auch ein Verstoß gegen die Wettbewerbsregeln als „schwere Verfehlung“ eines Bieters „im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit“ anzusehen ist (siehe bereits die Rs Generali-Providencia Biztosító (C-470/13) sowie nunmehr Art 57 Abs 4 lit d VergabeRL bzw. § 78 Abs 1 Z 4 BVergG 2018). Entscheidend dabei ist, dass das fehlerhafte Verhalten des Bieters einen negativen Einfluss auf dessen berufliche Glaubwürdigkeit, seine Integrität oder seine Zuverlässigkeit hat.
Der Gerichtshof erteilt ferner der Ansicht insbesondere der italienischen Gerichte, wonach lediglich berufliche Verfehlungen bei der Ausführung eines öffentlichen Auftrags einen Ausschlussgrund bilden würden, eine klare Absage. Generell ist dem EuGH zufolge der Begriff der „schweren Verfehlung“ weit auszulegen, wenngleich zumindest vorsätzliches oder (grob) fahrlässiges Verhalten vorausgesetzt wird.
Allerdings soll ein durch eine Behörde oder ein Gericht festgestellter Wettbewerbsverstoß nicht zu einem automatischen Ausschluss des Bieters führen. Vielmehr hat eine konkrete und auf den Einzelfall bezogene Beurteilung der Verhaltensweise zu erfolgen – und zwar durch den Auftraggeber. Dieser hat nachzuweisen, dass ein Bieter eine (so) schwere Verfehlung begangen hat, dass dessen Integrität in Frage steht. Im Falle eines Verstoßes gegen die Wettbewerbsregeln sind die allfällige Verhängung einer Geldbuße durch die Wettbewerbsbehörden und damit unter anderem die Schwere und die Dauer der Zuwiderhandlung relevant. Ferner hat der öffentliche Auftraggeber zu berücksichtigen, ob der Bieter Maßnahmen zur sogenannten „Selbstreinigung“ getroffen hat, wozu unter anderem, aber nicht nur, die Zusammenarbeit mit den (Wettbewerbs-)Behörden zu zählen ist (siehe Art 57 Abs 6 VergabeRL und § 83 Abs 2 Z 2 BVergG 2018).
ie Ausführungen des EuGH sind aus dem Blickwinkel der Rechtssicherheit zu begrüßen. Auftraggeber seien vor voreiligen sowie mangelhaft dokumentierten Ausschlussgründen gewarnt. Bietern sei die kaum zu überschätzende praktische Bedeutung von Compliance-Programmen in Erinnerung gerufen.
Nähere Informationen hierzu verraten gerne unser Team Vergaberecht und unser Team Compliance.
12. September 2019