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Autoren: Mario Laimgruber und Maurizio-Damiano Stoisser
Die rezenten Ausführungen des VwGH zur Baurestmassendeponie Fisching (VwGH 29.08.2024, Ra 2022/07/0025) und die darin zitierte Vorjudikatur (insb VwGH 17.12.2009, Ro 2018/04/0012) haben zahlreiche und mittlerweile vieldiskutierte Verunsicherungen im Zusammenhang mit UVP-Kumulationsprüfungen nach sich gezogen – einem Thema von hoher Praxisrelevanz, dem generell schon eine gewisse Komplexität innewohnt und bei dem seit jeher Vieles vermischt wird. Was hat es nun also mit den neuen Entwicklungen auf sich und was sind die Konsequenzen, die sich daraus für Sie als Projektwerber ergeben?
Sofern Sie mit Ihrem Vorhaben sowieso UVP-pflichtig sind (weil Sie den einschlägigen Schwellenwert erreichen), ändert sich nichts: Aus Perspektive Ihres Vorhabens sind im Hinblick auf § 6 Abs 1 Z 4 lit d UVP-G 2000 (Beschreibung der voraussichtlichen erheblichen Auswirkungen des Vorhabens auf die Umwelt, infolge des Zusammenwirkens der Auswirkungen mit anderen bestehenden oder genehmigten Vorhaben in Ihrer UVE) sämtliche bestehende und prognostizierten Belastungen als Nullplanfall iS einer Vorbelastung zu berücksichtigen. Die Ausführungen im Erkenntnis zur Baurestmassendeponie Fisching haben darauf keine Auswirkung.
Eine potenzielle Relevanz des Erkenntnisses VwGH 29.08.2024, Ra 2022/07/0025, könnte sich bei einem Vorhaben dann ergeben, wenn dieses für sich nicht UVP-pflichtig sein sollte, aber im Zusammenhang mit anderen Vorhaben sein könnte. Der VwGH führt für diese Fälle im genannten Erkenntnis aus, dass bei einer Kumulationsbetrachtung gemäß § 3 Abs 2 UVP-G 2000 sowohl bei der Frage der Kumulierung von Schwellenwerten, als auch bei einer etwaigen nachgelagerten Frage der Kumulierung von Umweltauswirkungen im Einzelfall (der sogenannten Einzelfallprüfung) Vorhaben zu berücksichtigen sind, die insofern schutzgutbezogen in einem räumlichen Zusammenhang mit dem zukünftigen Vorhaben stehen, als Wechselwirkungen ihrer Auswirkungen mit den Auswirkungen des zukünftigen Vorhabens auf einzelne Schutzgüter im für die Umwelt erheblichen Ausmaß nicht von vornherein ausgeschlossen werden können. Unter Bezugnahme auf Rechtsprechung des EuGH wird dazu zudem konkretisierend ausgeführt, dass es dabei um Umweltauswirkungen geht, die wegen der Auswirkungen anderer Projekte größeres Gewicht haben. Konkret betrifft dies nach den Ausführungen des VwGH zur Baurestmassendeponie Fisching
Über das Ziel hinaus schießt dahingehend jedenfalls das neue ministeriale Rundschreiben zum UVP-G 2000 (dieses soll den vollziehenden Organen des UVP-G 2000 als unverbindliche Richtschnur Hilfestellung bei der Handhabung dieses Gesetzes bieten; das Rundschreiben ist zwar offiziell noch nicht zum Download verfügbar, „Interessierte“ können sich laut Webseite aber in Kontakt mit dem Bundesministerium setzten [Abteilung V/11; E-Mail: v11@bmk.gv.at], um das Rundschreiben per E-Mail zu erhalten). Auf Seite 43 wird dort als weiterführende Überlegung zum VwGH-Erkenntnis zur Baurestmassendeponie Fisching ausgeführt:
„Immer möglich ist die Umrechnung der in Anhang 1 verwendeten Maßeinheiten in die Prozent des Schwellenwertes als zusammenrechenbare Maßeinheit, wie in Anhang 1 Z 43 bei der Intensivtierhaltung.“
Diese Sichtweise ist rechtlich nicht vertretbar: Zum einen wären die Aussagen des VwGH zur Baurestmassendeponie Fisching wenn dem so wäre gänzlich sinnentleert (wenn jedes Vorhaben potenziell mit jedem anderen über einen Prozentualvergleich kumuliert werden könnte, würde es keiner Ausführung der im Erkenntnis genannten und zuvor ausgeführten Kriterien bedürfen). Zum anderen fände diese Interpretation keine Deckung mit der UVP-RL. Zu dieser zweifelsfrei überschießenden Interpretation ist außerdem festzuhalten, dass auch die Referenz auf den Intensivtierhaltungs-Tatbestand hinkt, weil dort eine eigene Rechtsgrundlage hinsichtlich gemischter Bestände existiert, die es im Hinblick auf die bestehende allgemeine Kumulationsbestimmung nicht gibt.
Zudem ist hervorzuheben, dass in der angestoßenen Diskussion und auch im genannten UVP-Rundschreiben die in der Rechtsprechung des VwGH ausdrücklich angeführte Einschränkung, nämlich, dass andere Vorhaben für die Frage der Kumulierung von Schwellenwerten und bei einer etwaigen nachgelagerten Einzelfallprüfung nur „insofern“ zu berücksichtigen sind, als „Wechselwirkungen“ nicht von vornherein ausgeschlossen werden können, nicht ausreichend Beachtung findet. Eine reine „Addition“ von Umweltauswirkungen ist demnach aber für eine Berücksichtigung – sowohl in Bezug auf die Kumulierung von Schwellenwerten als auch im Rahmen der Einzelfallprüfung – zu wenig.
Im aktuellen Regierungsprogramm wird auf Seite 52 eine „praxisgerechte und EU-konforme Vereinfachung der Kumulierungsregelungen“ versprochen. Bis eine solche implementiert wird, werden Projektwerber in den relevanten Fällen sowohl fachlich als auch rechtlich argumentativ vorbauen müssen, um – zB in einem aus Rechtssicherheitsgründen anzuratenden UVP-Feststellungsverfahren – darlegen zu können, warum aus den Vorgaben des Erkenntnisses VwGH 29.08.2024, Ra 2022/07/0025, keine Relevanz für das eigene Vorhaben ableitbar ist.
Was sicher nicht die Lösung sein kann, ist, dass Projektwerber in Zukunft angehalten werden, ihre Vorhaben über Gebühr zu redimensionieren und etwa so auszugestalten, dass geplante Vorhaben eine Kapazität von weniger als 25 % des für sie relevanten Schwellenwertes aufweisen, weil dann gemäß § 3 Abs 2 UVP-G 2000 jedenfalls keine Einzelfallprüfung durchzuführen ist – das UVP-Genehmigungsverfahren ist ein Projektgenehmigungsverfahren, in welchem der Projektwerber den Verfahrensgegenstand durch seinen Antrag, unabhängig von etwaigen Interventionen, vorgibt. Genauso wenig zielführend wäre ein Ansatz, in dem Behörden aufgrund der anscheinend bestehenden Unsicherheiten „standardmäßig“ und prophylaktisch – dh also auch bei Vorhaben, bei denen relevante kumulative Effekte von vorneherein ausgeschlossen werden, in die Kumulationsprüfung nach § 3 Abs 2 UVP-G 2000 einsteigen. Ein solches Vorgehen stünde jedenfalls im Widerspruch zu Art 18 B-VG und dem verfahrensökonomischen Grundsatz der gebotenen Rücksichtnahme auf die möglichste Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis der Verwaltung.
Bei sämtlichen Umweltverfahren und unabhängig davon, wie sich die Gegebenheiten zum hier dargelegten Thema weiterentwickeln werden, stehen wir Ihnen bei der Wahrung Ihrer Interessen gerne zur Seite und freuen uns auf Ihre Kontaktaufnahme.
Weitere Informationen zum Rechtsgebiet finden Sie hier:
28. April 2025
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