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Start-ups: Risiken durch rechtliche Beratung minimieren


Im vergangenen Jahr 2022 wurden in Österreich fast 40.000 Start-ups gegründet. Bei der Gründung eines Unternehmens gilt es aber nicht nur unzählige finanzielle, steuerliche und organisatorische Themen zu berücksichtigen, sondern auch zahlreiche rechtliche Punkte zu beachten.

Julia Goth sprach im Interview mit DIE MACHER über die Vorteile der Digitalisierung im Gründungsprozess, Risiken und Stolpersteine bei der Gründung, sich verändernde Anforderungen von Gründer:innen und noch vieles mehr.

DIE MACHER: In welcher Phase beginnt eure Betreuung von Start-ups meist?

Julia Goth: Diese Frage lässt sich nicht so einfach beantworten, da Start-up-Gründer:innen oft in gänzlich unterschiedlichen Situationen zu uns kommen. Wir versuchen auch schon in der Vor-Gründungs-Phase präsent zu sein, z. B. auf der JKU Founders Week oder bei diversen Lehrveranstaltungen auf Fachhochschulen, wo wir den Studierenden Grundlagen des Gesellschafts- und Finanzierungsrechts näher bringen und auch Fragen zu „Gründungsideen“ beantworten (z. B. Wie wird die Idee zum Unternehmen? Wann ist eine GmbH sinnvoll? Was kostet das alles?).

Auf der einen Seite gibt es Gründer:innen, die nicht nur Unterstützung in der Rechtsberatung, sondern ein „One-Stop-Shop-Package“ suchen. Das bedeutet, dass von uns nicht nur eine Rechtsberatung zur Gründung und deren Durchführung angeboten wird. Auch beraten wir beispielsweise zu Finanzierungsmöglichkeiten, zu marken- und öffentlich-rechtlichen Themen sowie zu arbeitsrechtlichen Fragen und stellen allenfalls auch Kontakt zu Steuerberatern her. Insbesondere bei technischen / digitalen Entwicklungen, die vermarktet werden sollen, stellen sich viele marken- und datenschutzrechtlichen Fragen.

Auf der anderen Seite hat gerade die Digitalisierung des Gesellschaftsrechts einige Hürden für Gründer:innen um einiges leichter gemacht (Stichwort Gründung einer 1-Personen-GmbH über den digitalen Weg). Dies birgt allerdings auch die Gefahr, dass Gründer:innen zunächst alles „alleine“ machen und wichtige rechtliche Aspekte dabei womöglich nicht bedenken. Insbesondere bei der Formulierung von AGB können viele rechtliche Faux-Pas passieren. Es gibt also auch Gründer:innen, die ihr Unternehmen bereits gegründet haben, die Gründer:innen aber nun den nächsten „Big-Step“ nehmen wollen. Man denke dabei z. B. an die Expansion ins Ausland oder den Einstieg eines Investors. Hier ergeben sich oft (rechtliche) Fragen, bei denen wir dann unterstützend zur Seite stehen.

Die Wahl der Rechtsform, Abwicklung Behördenwege etc. – hier gibt es meist Gründerzentren, Inkubatoren, die beratend tätig sind – wird dennoch oft auf Kanzleien zurückgegriffen? Welche Mehrleistungen gibt es seitens Kanzleien, in dem Fall von euch?

Gründerzentren und Inkubatoren bieten gerade im Stadium vor und zu Beginn der Gründung maßgebliche Unterstützung an. Der Vorteil dieser Beratungscenter ist, dass sie nicht nur (auch in Kooperation mit Rechtsanwält:innen) rechtliche Beratung (im Sinne einer Basic-Beratung) anbieten, sondern auch schon vor der Gründung mit den Gründer:innen drüber sprechen, ob man „der Unternehmertyp“ ist, oder dabei helfen die richtige Geschäftsidee zu finden. Gleichzeitig sind solche Beratungscenter versiert darauf, die Finanzierungsmöglichkeiten zu evaluieren oder Förderungen zu finden. Durch Kooperationen mit diversen Gründungsnetzwerken können auch wir Gespräche vergünstigt anbieten.

Im Gegenzug haben wir als Kanzlei den Vorteil, dass wir sämtliche rechtliche Themen hausintern abdecken können: sei es gesellschaftsrechtlich, oder arbeits-, marken-, oder öffentlich-rechtlich. Dieses umfassende Know-how in vielen verschiedenen Rechtsbereichen ist auch ein deutlicher Vorteil einer Großkanzlei gegenüber kleineren Kanzleien und Einzelanwält:innen. Aufgrund unserer Erfahrung kennen wir auch viele Fallstricke aus ähnlichen Causen. Dies auch im Detail und auf den jeweiligen Einzelfall zugeschnitten. Darüber hinaus ist zu bedenken, dass ein Unternehmen auch nach der Gründung weiterhin mit rechtlichen Fragen konfrontiert wird: begleiten wir ein Unternehmen von der Gründung weg, kennen wir nicht nur die bereits abgeschlossenen Verträge oder Geschäftsbeziehungen, sondern auch die Wünsche, Vorstellungen und Ziele der Mandant:innen und können uns dadurch besser auf diese einstellen und die Rechtsberatung entsprechend anpassen.

Wie unterscheidet sich die Arbeit mit Gründer:innen im Vergleich zu etablierten Unternehmen?

Rechtliche Probleme ergeben sich bei einem Start-up genauso wie bei einem etablierten Unternehmen; die Beratung kann aber dennoch unterschiedlich sein. Bei Start-ups handelt es sich oft um die „erste wichtige Transaktion“, die Gründer:innen sind rechtlich unerfahren, sodass es wichtig ist, diese genau bei ihrem Wissensstand abzuholen und über sämtliche Risiken aufzuklären (z. B. wie viel Macht darf ein Investor haben?).

In Österreich gibt es eine eher schwach ausgeprägte Risikokultur, viele junge Menschen trauen sich den Weg in die Selbstständigkeit nicht zu. Welche Risiken sollte man als Gründer:in aber dennoch unbedingt vermeiden?

Risiken gibt es bei der Gründung eines Unternehmens in vielen Bereichen. Es gibt jedoch zwei Punkte, die jedenfalls beachtet werden sollen:

Zum einen sollte darauf geachtet werden, mit wem man zusammenarbeitet. Mit einer Person ein Unternehmen zu gründen, nur, weil man schon lange befreundet ist, kann nach hinten losgehen. Hier sollte man die Fähigkeiten und Stärken einer Person einschätzen können und abwägen, ob die jeweilige Person für eine Zusammenarbeit geeignet ist. Und selbst bei der besten Freundschaft sollten schon zu Beginn die Unternehmenskultur dokumentiert und Regelungen für den Streitfall vorgesehen werden.

Zum anderen sollte – auch wenn zu Beginn das Budget gering ist – zumindest ein Finanz- bzw. Steuerexperte mit ins Boot geholt werden. Diese sind in der Lage, vermögensrechtliche Schieflagen frühzeitig zu erkennen und können – falls erforderlich – einlenken, bevor das Schiff untergeht. Das Gleiche gilt aber für rechtliche Fragen; wichtige Verträge sollten nicht ohne vorherige Beratung geschlossen werden, beim Vertrieb von Produkten jedenfalls marken- oder wettbewerbsrechtliche Aspekte abgeklärt werden.

Gibt es eine Check-Liste, die man abarbeiten kann – mit der Worst-Cases ausbleiben?

Eine für jeden einzelnen Fall passende „Check-Liste“ gibt es nicht. Jedes Unternehmen ist anders – auch sind die Bedürfnisse und Wünsche der Gründer:innen immer sehr unterschiedlich. Daher ist es mir auch ein wichtiges Anliegen, Start-ups nicht nach einem bestimmten „Schema“ zu beraten. Und genau darin liegt auch der Knackpunkt: Ein Gründer / eine Gründerin sollte sein Unternehmen nicht so führen, wie es andere machen „nur, weil‘s bei denen läuft“. Jedes Unternehmen ist als Individuum zu betrachten und muss auch als solches geleitet werden. Das betrifft finanzielle, rechtliche als auch organisatorische Angelegenheiten. Aspekte, die genau überlegt werden sollten (auch mit Hilfe entsprechender Berater:innen) sind aber jedenfalls Haftung (wie kann die persönliche Haftung beschränkt werden), Basics des Steuerrechts und der Buchführung. Wie will ich am Markt auftreten? Was ist meine Leistung? Welchen Kundenkreis spreche ich an? Wie soll die Arbeit zwischen den Mitgesellschafter:innen aufgeteilt, wie der Gewinn verteilt werden? Soll es Nachschusspflichten geben?

Jedes Unternehmen ist als Individuum zu betrachten und muss auch als solches geleitet werden.

Julia Goth

Man sollte allerdings von Anfang an nicht übersehen, dass man sich als Gründer:in nicht nur auf das „Kerngeschäft“ konzentrieren darf. Ich kann gerade unerfahrenen Gründer:innen empfehlen, sich zu den Pflichten als Unternehmer:in und Geschäftsführer:in schlau zu machen bzw. beraten zu lassen, um ein Problembewusstsein zu entwickeln und nicht in der Anfangsphase bereits Haftungsproblemen gegenüberzustehen.

Wird der Aufwand eher unter- oder überschätzt?

Ich denke, dass der Aufwand gar nicht das Problem ist. Vielmehr wird unterschätzt, dass man als Unternehmer:in – gerade in der Anfangsphase – teilweise 24/7 für das Unternehmen lebt. Der Druck, nicht wieder sofort vom Markt zu verschwinden, ist gerade am Anfang enorm. Das bedeutet auch, dass in dieser Phase das Privatleben darunter leiden kann. Auch ist es eine Typ-Frage, ob man lieber ein Angestelltenverhältnis hat, oder die Dinge selbst in die Hand nimmt. Und dann ist natürlich auch immer zu beachten, dass es eine gewisse Zeit dauern wird, bis die Arbeit auch Früchte trägt.

Was sind die häufigsten Fehler von Start-ups?

Ich glaube, dass es nicht den „klassischen“ Fehler gibt. Wenn ein Start-up scheitert, hat das meist unterschiedliche Gründe, die vom jeweiligen Unternehmen abhängig sind. Ein Fehler von Start-up A bedeutet nicht automatisch, dass dies auch ein Fehler für Start-up B sein muss.

Es gibt aber einige Punkte, die am Anfang vielleicht übersehen werden. Beispielsweise denken viele, dass die GmbH die „beste“ Rechtsform sei, „weil man nicht mit dem Privatvermögen haften kann“. Allerdings sind die Gründungskosten bei einer GmbH höher, als bei einer Personengesellschaft. Hier kommt es maßgeblich darauf an, wie das Unternehmen ausgestaltet ist, welche finanziellen Risiken bestehen etc. (z. B. nur Eigenleistung, geringe Fixkosten, keine zu erwartenden Gewährleistungsansprüche).

Weiters sehe ich aus meiner Erfahrung, dass Gründer:innen eine Idee haben, die sie so schnell wie möglich umsetzen wollen und sich dabei voll und ganz auf das Kerngeschäft konzentrieren, dabei aber zu Beginn übersehen, dass ein Unternehmen auch „geführt“ bzw. „geleitet“ werden muss und dazu auch z. B. Buchhaltung oder viele organisatorische Pflichten gehören.

Wie verändern sich die Anforderungen der Gründer:innen?

Gerade bei jungen Gründer:innen sehen wir hier einen Paradigmenwechsel was die Anforderungen an die Unternehmenskultur betrifft. Junge Unternehmer:innen haben verstanden, dass die Anforderung an einen Arbeitsplatz nicht mehr ausschließlich „gute Bezahlung“ ist. Viel mehr steigt auch der Wunsch von Seiten der Start-up-Gründer:innen, die eigenen Mitarbeiter:innen am Unternehmen zu beteiligen, oder die arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen im Sinne der Mitarbeiter:innen auszudehnen, flexible Arbeitszeiten zu ermöglichen etc.

Konkrete rechtliche Tipps für Gründer, die möglichst universal anwendbar sind?

Schwierig ist es oft bei Gesellschaften zwischen zwei Personen, bei welchen beide 50% am Unternehmen halten. Bei Gesellschafterbeschlüssen kann dies zu einer Pattsituation führen, die – im schlimmsten Fall – in einem Streit enden kann. Generell gilt – auch wenn das Verhältnis jetzt gut ist, dennoch Regelungen für den Streitfall treffen bzw. die grundsätzliche Organisation des Unternehmens regeln, um Streitfälle zu vermeiden.

Immer überlegen, was die eigenen Anforderungen an das eigene Unternehmen sind und was man sich wünscht. Gerade bei finanziellen und rechtlichen Angelegenheiten sollte man nie nach einem fixen „Schema“ fahren und die Ideen von anderen kopieren.

Wenn möglich, kein Geld von Freunden und Verwandten ausborgen, um ein Unternehmen aufzubauen. Geld kann so manche Freundschaft zerstören.

Und das Wichtigste: nicht den Mut verlieren und nicht darauf hören, was andere von der Idee halten – wichtig ist, dass man selbst davon überzeugt ist!

Für die Beantwortung weiterer Fragen zu diesem Thema steht Ihnen Julia Goth als Expertin in der rechtlichen Beratung von Start-ups gerne zur Verfügung.

Ein Auszug dieses Interviews erschien im Zuge des Artikels „Die Angst vor dem Scheitern“ in der Herbstausgabe 2023 von DIE MACHER und hier online.

Disclaimer

Dieser Beitrag stellt lediglich eine allgemeine Information dar und ersetzt keine Rechtsberatung. Die Haslinger / Nagele Rechtsanwälte GmbH übernimmt keinerlei Haftung für Inhalt und Richtigkeit dieses Beitrages.

 

16. Oktober 2023

 
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