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Umwelt-Technikrecht | Haslinger / Nagele, Illustration: Karlheinz Wasserbacher

Renaturierungs-Update – Mehr Flexibilität im System der Ausgleichsmaßnahmen


Autoren: Mario Laimgruber, Maurizio-Damiano Stoisser

Nach zähen Verhandlungen in der EU und einer in Österreich ausführlich diskutierten Zustimmung der damaligen Bundesministerin im Rat trat die Renaturierungs-VO schließlich vor etwas weniger als einem Jahr in Kraft. Ihr erklärtes Ziel ist es, durch flächenbezogene (Wiederherstellungs-)Maßnahmen, Verbesserungsgebote und Verschlechterungsverbote ua zu einer langfristigen und nachhaltigen Erholung der Ökosysteme beizutragen, dem Klimaschutz zu dienen und die Ernährungssicherheit in der EU zu verbessern. Dabei möchte sie Kohärenz zwischen diesen eigenen Zielen und anderen für erneuerbare Energie bzw den Klimaschutz relevanten Rechtsakten gewährleisten.

Wie der konkrete österreichische Beitrag zur Erreichung dieser Ziele aussieht – also insbesondere auf welchen Flächen welche Maßnahmen gesetzt werden –, kann der Verordnung selbst nicht entnommen werden, sondern wird weitestgehend im nationalen Wiederherstellungsplan zu regeln sein. Dieser wird aktuell von einer aus Vertretern von Bund und Bundesländern bestehenden Arbeitsgruppe erstellt und setzt ein enormes Ausmaß an Erhebungen auf unterschiedlichsten Fachgebieten voraus. Auch, dass die Renaturierungs-VO als europäischer Rechtsakt keine Rücksicht auf die nationale Kompetenzverteilung nimmt, bringt einen komplexen Abstimmungsbedarf innerhalb des Staatsgefüges mit sich. Darüber hinaus verpflichtet die Renaturierungs-VO die Mitgliedsstaaten, der Öffentlichkeit,einschließlich aller relevanten Interessenträger, frühzeitigund wirksam die Möglichkeit zu geben, sich an der Ausarbeitung des Plans zu beteiligen. All dies muss innerhalb eines sehr knappen Zeitfensters geschehen, denn die Entwürfe der nationalen Wiederherstellungspläne müssen schon bis 01.09.2026 bei der Kommission einlangen.

Im Rahmen der „Umsetzung“ der (eigentlich unmittelbar anwendbaren) Renaturierungs-VO wählte Österreich jüngst die den Mitgliedsstaaten – bis 19.02.2025 befristet – eingeräumte Option, durch Mitteilung an die Kommission den räumlichen Anwendungsbereich eines durch die Verordnung gewährten „Renaturierungsinstruments“ (Verschlechterungsverbot) zu erweitern und sicherte sich damit die Möglichkeit, ein flexibleres System von Ausgleichsmaßnahmen für erhebliche Verschlechterungen zu etablieren. Die Inanspruchnahme dieses Spielraumes erfolgte (vorerst) ohne nähere Begründung. Die Art und Weise der konkreten Anwendung und das System der Ausgleichsmaßnahmen muss (erst) im nationalen Wiederherstellungsplan erläutert werden.

Für die Frage, wie die Renaturierungs-VO tatsächlich national „durchschlägt“, kann daher vor dem Gesagten aktuell nur ein Rahmen gezeichnet werden.Dies führt verständlicherweise zu Verunsicherung. In der Landwirtschaft befürchtete man insbesondere vor dem Hintergrund der in der Verordnung adressierten Wiedervernässung von Böden, einen einer Enteignung gleichkommenden Eingriff in den Grundbesitz.In der Energiewirtschaft stellt sich die Frage, wie mit Konflikten umzugehen ist, die aus dem Spannungsverhältnis zwischen der angestrebten „Renaturierung“ und dem – auch auf europäischer Ebene – forcierten Ausbau der erneuerbaren Energie und dem dazugehörigen Netz resultieren.

Die dargelegten Befürchtungen der Landwirtschaft konnten bereits mit einer Klarstellung in der Verordnung selbst adressiert werden, wonach Landwirte und private Landbesitzer [… nicht] zur Wiedervernässung ihrer Flächen“ verpflichtet werden können. Wobei sich die Frage, inwiefern sich die Renaturierungs-VO auf die Landwirtschaft auswirken wird, freilich nicht auf dieses, durch die Verordnung selbst ausdrücklich behandelte, Thema reduzieren lässt.

In Bezug auf die Energiewirtschaft kann festgehalten werden, dass sich bereits der Gesetzgebungsprozess der Renaturierungs-VO durch Rücksichtnahme auf die (erneuerbare) Energiewirtschaft kennzeichnete. Dies führte schließlich zu zahlreichen Privilegierungen und einem eigenen Artikel in der Verordnung. Dieser Artikel schreibt der Planung, dem Bau und dem Betrieb von Anlagen zur Erzeugung von Energie aus erneuerbaren Quellen sowie deren Netzanschluss, dem betreffenden Netz selbst und den Speicheranlagen ein gesetzlich eingeräumtes „überragendes öffentliches Interesse“ zu. Nicht bestritten werden kann darüber hinaus, dass die EU eine übergeordnete Strategie des Ineinandergreifens der klima- und naturschutzrelevanten Rechtsakte verfolgt (Europäischer Grüner Deal) und die Verordnung dem Ziel gerecht werden muss, Kohärenz zwischen ihren eigenen Zielen und anderen für erneuerbare Energie bzw den Klimaschutz relevanten Rechtsakten (ua RED III, Governance-VO) zu schaffen. Vor diesem Hintergrund finden sich in der Verordnung auch ausdrückliche Worte, nämlich, dass „die Funktionsweise dieser [national ausgewiesenen Beschleunigungsgebiete], einschließlich der gemäß der [RED III] in diesen Gebieten geltenden Genehmigungsverfahren, und die Funktionsweise der Netzvorhaben, die für die Integration von erneuerbarer Energie in das Stromnetz erforderlich sind, und die entsprechenden Genehmigungsverfahren unverändert bleiben“. Selbstredend setzt dies die Ausweisung entsprechender Beschleunigungsgebiete durch den nationalen Gesetzgeber voraus.

Nähere Details dazu, wie die Renaturierungs-VO die Kohärenz mit dem Ausbau der erneuerbaren Energie sichert, inwieweit Stakeholder in den Prozess der Erstellung des nationalen Wiederherstellungsplans eingebunden werden müssen und welche Möglichkeiten sie dabei haben, welche Bestimmungen bereits seit Inkrafttreten praxisrelevant sind, wo die Renaturierungs-VO Bestimmungen enthält, die erst mit der Veröffentlichung des nationalen Wiederherstellungsplans „wirksam“ werden und wie sich die Renaturierungs-VO auf aktuelle Vorhaben im Bereich der erneuerbaren Energie auswirken kann, lesen Sie im aktuellen Beitrag der Fachzeitschrift Recht der Umwelt – RdU von Mario Laimgruber und Maurizio-Damiano StoisserRenaturierung vs erneuerbare Energie: Der gordische Knoten ökologischer Zielkonflikte und seine potentiellen Auswirkungen auf Projektgenehmigungsverfahren“.

Sie möchten noch mehr zur Renaturierungsverordnung lesen? Xaver Meusburger und Thomas Baumgartner berichteten bereits in der RdU zum Thema „EU-Renaturierungsverordnung: Meilenstein oder Eigentor?“. Und Wilhelm Bergthaler setzt sich mit dem Thema „Renaturierungsverordnung – an einem Strang ziehen“ ebenfalls in einem Beitrag in der RdU auseinander.

Disclaimer

Dieser Beitrag stellt lediglich eine allgemeine Information dar und ersetzt keine Rechtsberatung. Die Haslinger / Nagele Rechtsanwälte GmbH übernimmt keinerlei Haftung für Inhalt und Richtigkeit dieses Beitrages.

Autoren:

Maurizio-Damiano Stoisser

Rechtsanwaltsanwärter

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1. Juli 2025

 
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