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Mit 1. September 2021 tritt die OÖ-Bauordnungs-Novelle mit insgesamt 129 Änderungen in Kraft. Mario Laimgruber hat sich ausführlich damit befasst, welche Vorteile die Novelle mit sich bringt und wo er immer noch Verbesserungspotenzial sieht. Auch die OÖNachrichten haben seinen Input aufgegriffen und dem Thema am 21. August einen Beitrag gewidmet.
Nachstehend finden Sie eine ausführliche Übersicht mit Lob und Kritik an der Novelle:
Die OÖ-Bauordnungs-Novelle 2021 beinhaltet zahlreiche Deregulierungsmaßnahmen. Neben der Einführung erster Erleichterungen in Richtung „digitaler Bauakt“ (wie etwa dem Entfall der bisher vorgeschriebenen Beibringung eines Grundbuchsauszugs zu einem Bauplatz- oder Baubewilligungsantrag) sind diverse Genehmigungserleichterungen und die Ausweitung des Katalogs bewilligungs- und anzeigefreier Bauvorhaben (zB in Hinblick auf Gartenhütten, Schwimmbecken und Schutzdächer wie etwa Carports) vorgesehen.
In der Praxis wird diesbezüglich oft außer Acht gelassen, dass auch baubehördlich nicht bewilligungs- oder anzeigepflichtige bauliche Anlagen den geltenden bau- und raumordnungsrechtlichen Bestimmungen entsprechen müssen und beispielsweise Abstands- und Brandschutzbestimmungen zu beachten sind. Bei Nichtberücksichtigung der allgemeinen baurechtlichen Vorgaben droht die Einleitung baupolizeilicher Verfahren (zB zur Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes) und können davon unabhängig Geldstrafen von bis zu EUR 36.000,- pro Verwaltungsübertretung verhängt werden.
In der Praxis kommt es regelmäßig vor, dass ein Baubewilligungsansuchen bereits während eines laufenden Umwidmungsverfahrens oder eines Verfahrens zur Erlassung oder Änderung eines Bebauungsplans, mit dem die raumordnungsrechtlichen Voraussetzungen für die Zulässigkeit des Bauvorhabens (erst) geschaffen werden sollen, eingebracht wird. Nach der bisherigen Rechtslage wäre ein solches Ansuchen von der Baubehörde schon im Vorprüfungsverfahren wegen Widerspruchs zur Flächenwidmung oder zu einem allfälligen Bebauungsplan abzuweisen gewesen – faktisch passierte oft so lange nichts, bis die Umwidmung abgeschlossen war.
Die OÖ-Bauordnungs-Novelle 2021 verspricht hier Beschleunigung für jene Fälle, in denen die entsprechenden raumordnungsrechtlichen Grundlagen noch nicht rechtswirksam, aber bereits absehbar sind (dh zB wenn bereits ein Verfahren zur Änderung eines Flächenwidmungsplanes anhängig ist und erwartet wird, dass die Umwidmung auch abgeschlossen werden wird). Dieses Versprechen wird aber nur zum Teil erfüllt:
Im Ergebnis kommt man nach Inkrafttreten der Novelle nämlich nur schneller zu einer Bauverhandlung. Erlassen werden darf der Baubescheid dann nach wie vor nur dann, wenn auch die richtige Widmung rechtskräftig vorliegt. Wenn man in diesen Konstellationen wirkliche Beschleunigung will, müsste man also an den Stellschrauben zum Umwidmungsprozedere drehen. Immerhin kann man jetzt in der – nunmehr auch in den geschilderten Fällen zulässigen – mündlichen Verhandlung (die Baubehörde ist grundsätzlich der Bürgermeister) nachfragen, warum es im Gemeinderat bei der Umwidmung immer noch „hakt“.
Ein wichtiger Faktor im Kampf gegen den Klimawandel ist der Ausbau der E-Mobilität. Positiv hervorzuheben ist diesbezüglich die durch die OÖ-Bauordnungs-Novelle 2021 verwirklichte Bewilligungs- und Anzeigefreistellung für Ladestationen für Elektrofahrzeuge. Damit im Zusammenhang ist auch die neu eingefügte Regelung zu sehen, nach der nunmehr die Möglichkeit besteht, nicht mehr zeitgemäße Auflagen und Bedingungen in Bauplatz- und Baubewilligungsbescheiden aufzuheben oder abzuändern. Zurückgenommen werden kann demnach zB ein Verbot von E-Ladestationen in Tiefgaragen in einem alten Baubescheid, wenn dieses aufgrund des Technologiefortschritts nicht mehr gerechtfertigt ist. Hier hat der Gesetzgeber alles richtig gemacht.
Die OÖ-Bauordnungs-Novelle 2021 verfolgt in wesentlichen Teilen das Ziel der Deregulierung. Beispielsweise kann durch die umgesetzte erweiterte Anzeigefreiheit (etwa für kleinere Gartenhütten, Schutzdächer und Schwimmbecken) die Führung unnötiger Verfahren vermieden werden und wird damit der Verwaltungsaufwand reduziert.
Natürlich wird auch Verwaltungsaufwand eingespart, wenn bestehende Doppelzuständigkeiten bereinigt werden. In diesem Sinne ist mit der OÖ-Bauordnungs-Novelle 2021 für bauliche Anlagen im Rahmen von Veranstaltungen eine Abgrenzung dahingehend erfolgt, dass diese nunmehr nur nach dem Veranstaltungssicherheitsrecht (und nicht wie bisher zusätzlich auch baurechtlich) zu bewilligen sind. Diesbezügliches Hauptargument war, dass die Einhaltung der Anforderungen an Gebäude im Fall von Veranstaltungen ohnehin durch das Veranstaltungssicherheitsrecht sichergestellt wird. Der Gesetzgeber hat die Rechtslage hier sinnvollerweise an die bereits umgesetzte Abgrenzung in anderen Bundesländern angepasst.
Völlig unverständlich und nicht in Einklang mit den Deregulierungsbestrebungen zu bringen ist nun, dass trotz der aktuellen Novelle weiter an der bestehenden Doppelzuständigkeit im Bereich von Stromleitungsanlagen festgehalten wird:
In Oberösterreich gibt es für elektrische Leitungsanlagen (davon umfasst sind insbesondere auch Umspann-, Umform- und Schaltanlagen) ein umfassendes Genehmigungsverfahren nach dem Starkstromwegerecht des Landes. In diesem wird neben den öffentlichen Interessen nach der ständigen Rechtsprechung beispielsweise auch das Leben oder die Gesundheit von Menschen als Schutzgut berücksichtigt.
Trotzdem besteht parallel dazu für jene Teile dieser Leitungsanlagen, die baurechtlich als Gebäude gesehen werden könnten, eine zusätzliche baurechtliche Bewilligungspflicht. Wiederum dem Vorbild anderer Teile Österreichs folgend hätte man diese Doppelgleisigkeit mit der aktuellen Novelle einfach bereinigen können (wie dies ja auch in Hinblick auf das Veranstaltungssicherheitsrecht geschehen ist). Diese Chance wurde leider nicht genutzt.
Sollen neue Wohngebäude neben bereits bestehenden Betrieben realisiert werden, sind Auseinandersetzungen vorprogrammiert. Um diese möglichst erst gar nicht aufkommen bzw. ausufern zu lassen, haben Betriebe (auch solche der Land- und Forstwirtschaft) die Möglichkeit, in den jeweiligen Bauverfahren Einwendungen gegen heranrückende neue Wohngebäude zu erheben.
Diese Möglichkeit wurde mit der OÖ-Bauordnungs-Novelle 2021 erweitert. Nunmehr können Einwendungen in allen Fällen erhoben werden, in denen das Nachbargebäude (sei es auch nur teilweise) für Wohnzwecke genutzt wird. Im Übrigen wurde klargestellt, dass die Zone derer, die sich hier einbringen können – abweichend von den für Standardbauverfahren normierten 10 Metern – 50 Meter beträgt.
Nichtsdestotrotz bleibt das Spannungsverhältnis zwischen Betriebs- und Wohnnutzung ein Dauerbrenner. Weiterhin wird man nicht umhinkommen, in Grenzfällen das rechtliche Repertoire – etwa über die Zivilgerichte oder in den öffentlich-rechtlichen Verfahren in Hinblick auf die mögliche Vorschreibung nachträglicher Auflagen –auszuschöpfen.
In der Praxis treten oft Fälle auf, in denen Abweichungen vom baubehördlichen Konsens erst nach Jahrzehnten festgestellt werden. Wenn dann auch noch die nach der aktuellen Rechtslage geltenden Bestimmungen wie zB zwingende Abstandsvorschriften nicht eingehalten werden können (sei es zB auch nur um einige Zentimeter), stand man bisher vor einem massiven Problem: Die Baurechtsbehörde (grundsätzlich der Bürgermeister) musste einen das gesamte Gebäude betreffenden Beseitigungsauftrag erlassen. Mit der OÖ-Bauordnungs-Novelle 2021 wird eine Regelung zur Abfederung solcher Härtefälle eingeführt:
Nunmehr gibt es eine Möglichkeit zur baurechtlichen Sanierung von konsenslosen Abweichungen. Voraussetzung dafür ist, dass zumindest irgendwann eine baurechtliche Bewilligung erteilt wurde oder dies zumindest vermutet werden kann und die Abweichung seit mindestens 40 Jahren besteht.
Diese Regelung liegt jedenfalls im Interesse der Rechts- und Bestandssicherheit und kann damit potenziell existenzbedrohenden Zuständen entgegengewirkt werden. Darüber hinaus wird mit der neuen Regelung auch die Situation für die Bürgermeister entschärft. Blieb ein solcher – gerade in Härtefällen aus zwischenmenschlicher Perspektive wohl nachvollziehbar – wider dem bisher geltenden Recht in den angesprochenen Konstellationen untätig, stand gegen ihn immer der Vorwurf des potenziellen Amtsmissbrauchs im Raum.
Das Verfahren zur Erlangung der Rechtssicherheit läuft so ab, dass ein Betroffener die Erlassung eines Feststellungsbescheides beantragt und das Vorliegen der genannten Voraussetzungen darlegt. Können diese – zB aufgrund der langen Zeitspanne – nicht eindeutig nachgewiesen werden, reicht es aus, wenn das Vorliegen der Voraussetzungen zumindest glaubhaft gemacht wird. Rechtlich bedeutet dies, dass (nur) der Nachweis der Wahrscheinlichkeit erbracht werden muss. Aufgrund der komplexen Beweisvorschriften und nicht zuletzt auch, weil in dem genannten Verfahren auch Nachbarn Parteistellung besitzen, sollte dieses unbedingt nur mit entsprechender rechtlicher Vertretung durchgeführt werden.
Für die Beantwortung weiterer Fragen zu diesem Thema steht Ihnen unser Experte Mario Laimgruber aus dem Team Immobilien- und Baurecht gerne telefonisch oder unter akut@hnp.at zur Verfügung.
Dieser Beitrag stellt lediglich eine allgemeine Information dar und ersetzt keine Rechtsberatung. Die Haslinger / Nagele Rechtsanwälte GmbH übernimmt keine Haftung für Inhalt und Richtigkeit dieses Beitrages.
24. August 2021