Whistleblowing-Meldesysteme
Wir helfen bei der Umsetzung und Aufarbeitung!
Trotz des immer stärker verankerten gesellschaftlichen Bewusstseins von Umwelt- und Klimathemen hat Umweltkriminalität in den letzten Jahren stark zugenommen. Da ihre Auswirkungen die Wirksamkeit der Umweltpolitik der Europäischen Union untergraben und eine ernstzunehmende Gefahr sowohl für die Umwelt als auch für den Menschen und seine Gesundheit darstellen, wird ihrer Bekämpfung mittlerweile auch auf Unionsebene ein hoher Stellenwert zugemessen.
Im Zuge einer durchgeführten Evaluierung der bestehenden Bestimmungen wurde jedoch erkannt, dass die Einhaltung des EU-Umweltrechts und die Hintanhaltung von Umweltkriminalität nicht ausreichend gewährleistet wurden.
Um einen wirksamen Umweltschutz sicherzustellen wurde daher am 30. April 2024 die EU-Richtlinie 2024/1203 vom 11. April 2024 über den strafrechtlichen Schutz der Umwelt und zur Ersetzung der Richtlinien 2008/99/EG und 2009/123/EG (im Folgenden „Richtlinie“) im Amtsblatt der Union veröffentlicht und trat schließlich am 20. Mai 2024 in Kraft. Bis zum 21. Mai 2026 müssen die Mitgliedstaaten die Richtlinie im jeweiligen nationalen Recht umsetzen. Explizites Ziel der Richtlinie ist es, durch die Bekämpfung von Umweltkriminalität einen effektiven Schutz der Umwelt sicherzustellen.
Mit der Richtlinie wurde der Katalog der strafbaren Handlungen von 9 auf 20 erweitert. So wurden etwa das Inverkehrbringen von umweltschädlichen Erzeugnissen, der nicht sachgerechte Umgang mit Abfällen, die illegale Entnahme von Oberflächen- und Grundgewässern sowie das illegale Recycling unter Strafe gestellt. Neben den explizit in der Richtlinie angeführten Straftatbeständen ist es den Mitgliedstaaten freigestellt, weitere umweltschädliche Handlungen strafrechtlich zu sanktionieren.
Die Straftatbestände der Richtlinie erfordern jedoch ein Verhalten, welches eine bestimmte Erheblichkeitsschwelle überschreitet, etwa wenn das Verhalten zumindest eine schwere Körperverletzung, oder einen erheblichen Schaden an einem Ökosystem verursacht, oder zumindest geeignet ist, derartige Schäden zu verursachen. Besonders schwere Umweltbeeinträchtigungen sind als qualifizierte Straftaten zu ahnden (so etwa der sog. „Ökozid“).
Als wesentliche Neuerung ist auch hervorzuheben, dass bereits die Beteiligung (Anstiftung bzw. Beteiligung und Beihilfe) an einer strafbaren Handlung wie auch die versuchte Begehung eines Vorsatzdelikts strafbar zu sein hat. Dies steht im Einklang mit der österreichischen Strafrechtslehre nach der Täter im Ausmaß der eigenen Schuld zu bestrafen sind.
Wie auch schon die Richtlinie 2008/99/EG verpflichtet auch die neue Richtlinie die Mitgliedstaaten, Maßnahmen zu ergreifen um zu gewährleisten, dass die Umweltstraftatbestände mit wirksamen, verhältnismäßigen und insbesondere auch abschreckenden strafrechtlichen Sanktionen geahndet werden. Neu ist jedoch, dass in der Richtlinie 2024/1203 Mindeststandards in Bezug auf das Sanktionspotenzial festgelegt werden. Der Strafenkatalog reicht von Freiheitsstrafe im Höchstmaß von mindestens zehn Jahren bis hin zu Geldstrafen, die bei bestimmten schwerwiegenden Straftaten 5 % des weltweiten Gesamtumsatzes oder alternativ EUR 40 Mio nicht unterschreiten dürfen.
Die Mitgliedstaaten können darüber hinaus zusätzliche strafrechtliche und nicht-strafrechtliche Sanktionen vorsehen, wie etwa den Ausschluss von öffentlichen Zuwendungen oder ein vorübergehendes oder dauerhaftes Geschäftstätigkeitsverbot. Unter strengen Voraussetzungen soll sogar die Veröffentlichung des Urteils möglich sein.
Da sich die Umwelt selbst nicht vertreten kann, sieht die Richtlinie weitreichende Verfahrensbeteiligungen Dritter als „betroffene Öffentlichkeit“ vor. Gemeint sind dabei neben NGOs und Umweltverbänden solche Personen, die ein ausreichendes Interesse daran haben, eine Rechtsverletzung geltend zu machen. Da die Richtlinie jedoch nicht zur Einführung neuer Verfahrensrechte verpflichtet und das österreichische Strafprozessrecht neben der Privatbeteiligung von Opfern keine weitere Öffentlichkeitsbeteiligung vorsieht, wird diesbezüglich wohl mit keiner Änderung zu rechnen sein.
Weiters sieht die Richtlinie auch Erleichterungen für Strafverfolgungsbehörden vor. Einem der größten Kritikpunkte der 2021 durchgeführten Erhebung begegnend soll die internationale Zusammenarbeit bei der Verfolgung von Umweltstraftaten mithilfe einer Koordinierungsstelle verbessert werden. Zur erfolgreichen Durchsetzung des Umweltstrafrechts werden den Behörden darüber hinaus weitgreifende Ermittlungsinstrumente und Befugnisse zur Verfügung gestellt, welche der Schwere der Straftat entsprechen sollen.
Schließlich muss Personen, die Umweltstraftaten iSd Richtlinie melden, Beweise vorlegen oder anderweitig mit Behörden bei der Aufklärung von Umweltstraftaten zusammenarbeiten, unbeschadet der Whistleblower-Richtlinie (RL [EU] 2019/1937) ein Zugang zu Unterstützungs- und Hilfsmaßnahmen gewährt werden.
Es wird sich zeigen, ob die Richtlinie ihren ambitionierten Zielen, nämlich die Wirksamkeit des Umweltstrafrechts zu gewährleisten und den (inter)nationalen Umweltschutz zu verbessern, gerecht werden kann. Die Novellierung des Umweltstrafrechts drückt jedoch jedenfalls die hohe Priorität des Umweltschutzes für die EU aus.
Insbesondere für Unternehmen bringt die Richtlinie eine Ausweitung ihrer Verantwortlichkeit mit sich, weshalb die Implementierung neuer sowie die Anpassung bereits bestehender interner Compliance-Maßnahmen umso wichtiger ist, um Haftungsrisiken möglichst gering zu halten und ein richtlinienkonformes Verhalten sicherzustellen.
Schließlich steht auch zu erwarten, dass die Richtlinie Einfluss auf die Dauer von verwaltungsrechtlichen Genehmigungsverfahren haben wird, da das Risiko ein strafbares Verhalten zu setzen bereits im Planungsstadium bestehen wird. Wie die Richtlinie genau in österreichisches Recht umgesetzt wird, bleibt mit jedenfalls mit Spannung abzuwarten.
Gerne stehen unsere Experten Xaver Meusburger und Thomas Baumgartner für weitere Fragen zu diesem Thema sowie Unterstützung bei der praktischen Umsetzung zur Verfügung.
Dieser Beitrag stellt lediglich eine allgemeine Information dar und ersetzt keine Rechtsberatung. Die Haslinger / Nagele Rechtsanwälte GmbH übernimmt keine Haftung für Inhalt und Richtigkeit dieses Beitrages.
16. September 2024