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Fördert der jüngste Richtlinienvorschlag der Europäischen Kommission zur Harmonisierung des Insolvenzrechtes den Insolvenzmissbrauch?


In einem aktuellen Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Insolvenzrechtes [COM (2022) 702 final] vom 07.12.2022 („Harmonisierungsrichtlinienvorschlag“) wird im Bestreben, einen integrierten EU-Kapitalmarkt zu schaffen, eine Harmonisierung des Insolvenzrechtes der einzelnen Mitgliedstaaten in mehreren Bereichen des Insolvenzrechts versucht, wobei vor allem die geplanten Verfahrensvereinfachungen für die Insolvenz von Klein(st)unternehmen irritieren.

Gegenstand des Kommissionsvorschlages:

  • geregelte Bereiche des Insolvenzrechtes
  • Harmonisierung des Anfechtungsrechts (Art. 4 ff)
  • Maßnahmen zur Ermittlung des Massevermögens (Art. 13 ff)
  • „Pre-Pack-Verfahren“ (Art. 19 ff)
  • Insolvenzantragspflicht und Insolvenzverschleppungshaftung (Art. 36 f)
  • Verfahrensvereinfachungen für die Insolvenz von Klein(st)unternehmen (Art. 38 ff)
  • Regelungen für Gläubigerausschüsse (Art. 58 ff)
  • Merkblatt (Art. 68) zu Kerninformationen über das nationale Insolvenzrecht

Liquidation zahlungsunfähiger Klein(st)unternehmen (Art. 38-57)

Hintergrund der Regelungen soll die Schaffung schnellerer, einfacherer und erschwinglicherer Verfahren für Kleinstunternehmen sein.

Problematisch erscheint zunächst, dass Klein(st)unternehmen nach der Kommissionsempfehlung 203/361/EG wie folgt definiert werden:

  • weniger als 10 Dienstnehmer
  • Jahresumsatz oder Bilanzsumme nicht höher als EUR 2 Mio.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass die österreichische Unternehmensstruktur stark von KMUs geprägt wird. Dies bedeutet nach derzeitigem Stand, dass ein Großteil der Unternehmensinsolvenzen unter diese Regelungen fallen würden.

Problematisch erscheint zunächst, dass ein Insolvenzverwalter nur über Antrag bestellt werden soll (Art. 39). Dabei sind zwar Gläubiger antragsberechtigt, müssen aber die Kosten des Insolvenzverwalters tragen, wenn Massearmut besteht.

Im insolvenzverwalterfreien Verfahren nimmt der Schuldner, dem eine im österreichischen Recht bislang nicht in diesem Umfang bestehende Eigenverwaltung zuerkannt werden soll, die Forderungsfeststellung eigenständig vor, wenn nicht einzelne Gläubiger Bedenken äußern oder das Gericht die Forderungsfeststellung verweigert (Art. 46). Fraglich ist, wie einzelne Gläubiger von Bestreitungsgründen Kenntnis erlangen sollen, wenn kein Insolvenzverwalter bestellt ist.

Weiters ist im insolvenzverwalterfreien Verfahren die Veräußerung des schuldnerischen Unternehmens oder Teilen hiervon durch den – unter Umständen unvertretenen – Schuldner denkbar.

Schließlich ist eine Verfahrensbeendigung ohne Verteilung einer Insolvenzquote möglich (Art. 49), wobei sich auf Basis des jetzigen Inhalts des Vorschlages die Frage stellt, ob eine Entschuldung einer Kapitalgesellschaft ohne Mindestquote möglich sein soll.

Ausblick

Die oben skizzierten Regelungen sollten dazu führen, dass zumindest der Vorschlag zur Liquidation zahlungsunfähiger Klein(st)unternehmen nochmals grundlegend überdacht wird. Die wesentlichen Stakeholder in der Insolvenz, wie etwa Gläubigerschutzverbände und Banken sollten danach trachten, ihren Einfluss auf die Normsetzung der Europäischen Kommission geltend zu machen, um zumindest „das Schlimmste zu verhindern …“

Thomas Kurz hat aktuell am 20.04.2023 im Rahmen eines Online-Seminares für die imh GmbH vor österreichischen Sanierungs- und Restrukturierungsexperten aus dem Bankenbereich zu dieser Thematik referiert.

Für die Beantwortung weiterer Fragen zu diesem Thema stehen Ihnen unsere Experten Thomas Kurz und Michael Haiböck aus dem Team Insolvenzrecht und Unternehmensreorganisation gerne zur Verfügung.

Disclaimer

Dieser Beitrag stellt lediglich eine allgemeine Information dar und ersetzt keine Rechtsberatung. Die Haslinger / Nagele Rechtsanwälte GmbH übernimmt keinerlei Haftung für Inhalt und Richtigkeit dieses Beitrages

 

24. April 2023

 
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