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EU-Restrukturierungsrichtlinie: Revolution der außergerichtlichen Unternehmenssanierung in Österreich?


Bisherige Versuche des österreichischen Gesetzgebers einen außergerichtlichen Sanierungs-/Restrukturierungsrahmen zu kodifizieren sind kläglich gescheitert. So hat weder das „Vorverfahren“ noch das Reorganisationsverfahren nach dem Unternehmensreorganisationsgesetz in der Praxis wesentliche Bedeutung erlangt. Wird dies die nunmehr beschlossene europäische Restrukturierungsrichtlinie ändern?

Ende März wurde die Restrukturierungsrichtlinie im Europäischen Parlament beschlossen. Bis Ende Mai 2019 soll sie nun im Amtsblatt der Europäischen Union kundgemacht werden. Eine Umsetzung durch die Mitgliedsstaaten soll binnen zwei Jahren erfolgen; in Österreich ist die Umsetzung nach aktuellem Informationsstand bis Ende 2020 geplant.

Die Richtlinie soll grundsätzlich auf alle Unternehmen anwendbar sein, wobei die Mitgliedsstaaten den Anwendungsbereich auf juristische Personen einschränken können.

Anknüpfungspunkt für die Verfahrenseinleitung soll die Wahrscheinlichkeit der Insolvenz („likelihood of insolvency“) sein; das heißt, die Richtlinie soll nur für noch nicht insolvente Unternehmen gelten. Die Mitgliedsstaaten können für den Zugang zu diesem Restrukturierungsverfahren eine Rentabilitätsprüfung verlangen.

Im Regelfall soll Eigenverwaltung gelten. Ein Verwalter soll insbesondere zur Unterstützung des Schuldners und der Gläubiger bei den Verhandlungen und der Ausarbeitung eines Restrukturierungsplanes bestellt werden, wobei eine Verwalterbestellung von den Mitgliedsstaaten insbesondere unter dem Aspekt des Gläubigerschutzes, etwa bei einem klassenübergreifenden Cram-Down (gerichtliche Zustimmung zu einem Restrukturierungsplan trotz Widerstands einer Gläubigergruppe), vorgesehen werden kann.

Das Verfahren soll grundsätzlich von einer Vollstreckungs- und Insolvenzsperre begleitet werden, wobei die Vollstreckungssperre – soweit nicht Ausnahmetatbestände gegeben sind – die Höchstdauer von vier Monaten aufweisen wird.

Um den Unternehmensfortbestand bzw. die Unternehmensfortführung während des Verfahrens zu sichern, ist eine Vertragsauflösungssperre vorgesehen. Vor allem soll eine Vertragsauflösung durch den Vertragspartner des Schuldners dann nicht möglich sein, wenn der Schuldner vor der Vollstreckungssperre entstandene Schulden nicht bezahlt hat.

Das Antragsrecht auf Einleitung eines solchen Verfahrens und Beschlussfassung über einen Restrukturierungsplan liegt grundsätzlich beim Schuldner; die Mitgliedsstaaten können es aber auch den Gläubigern bzw. einem bestellten Restrukturierungsverwalter einräumen.

Der Restrukturierungsplan soll im Wesentlichen

  • die in Aussicht genommenen Restrukturierungsmaßnahmen
  • die Angabe der betroffenen und nicht betroffenen Gläubiger (nicht alle Gläubiger müssen einbezogen werden)
  • die Einteilung in Gläubigerklassen und
  • die Laufzeit des Planes

umfassen.

Für die österreichische Rechtslandschaft ist vor allem die Einteilung in Gläubigerklassen als Fremdkörper anzusehen, nachdem der „klassenlose Konkurs“ Anfang der 80er Jahre des vergangenen Jahrhunderts eingeführt worden ist. Es sind zumindest zwei Gläubigerklassen zu definieren, nämlich unbesicherte und besicherte Gläubiger, wobei es vor allem am Geschick der Schuldner und auch am Einfluss einzelner (Groß-)Gläubiger liegen wird, sanierungstaktisch für sie nützliche Gläubigerklassen zu definieren.

Das Stimmrecht über den Plan kommt grundsätzlich allen vom Plan betroffenen Parteien zu, wobei als Voraussetzungen für die Annahme des Planes die Summenmehrheit in jeder Gläubigerklasse (jeweils nicht mehr als 75 %) verlangt wird. Die einzelnen Mitgliedsstaaten können zusätzlich auch eine Kopfmehrheit der Gläubiger vorsehen. In bestimmten Fällen sieht die Richtlinie zum Schutz der Gläubigerinteressen die Bestätigung des Plans durch ein Gericht oder eine Verwaltungsbehörde vor. Erwähnt sei in diesem Zusammenhang die Möglichkeit eines klassenübergreifenden Cram-Downs. So soll nach der Richtlinie grundsätzlich die Zustimmung einer Klasse für die Annahme des Sanierungsplanes ausreichen, wobei es sich dabei nicht um

  • die Klasse der Anteilseigner und
  • die Klasse jener Gläubiger handeln darf, welche bei Anwendung der normalen Rangfolge keine Zahlung oder sonstige Gegenleistung erhalten würden.

Wesentlich ist, dass neue Finanzierungen und Zwischenfinanzierungen („Bridge-Finanzierung“) insofern geschützt werden, als sie in späteren Insolvenzverfahren nicht von einer gerichtlichen Anfechtung bedroht sein sollen.

Vorgesehen ist auch ein „Transaktionsschutz„, das heißt ein Anfechtungsschutz für solche Transaktionen, die angemessen und für die Verhandlungen über den Restrukturierungsplan unmittelbar notwendig waren.

Fazit

Für die österreichische außergerichtliche Sanierungspraxis wird die Art der Umsetzung in den österreichischen Rechtsbestand wesentlich sein. Dabei wird zu berücksichtigen sein, dass keine unangemessene Beeinträchtigung funktionierender Sanierungen im Insolvenzverfahren dadurch bewirkt wird, dass überschuldete Unternehmen zuerst monatelang unter Gerichtsschutz verhandeln. Weiters wird abzuwarten sein, inwieweit dem bislang das österreichische Insolvenzrecht dominierenden Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung Rechnung getragen wird und ob es nicht zu einer unsachgerechten Vermengung von Insolvenzrecht und den Grundprinzipien unseres Gesellschaftsrechts kommt. Es bleibt auf jeden Fall spannend!

Näheres weiß unser Kanzleipartner Thomas Kurz aus dem Team Insolvenzrecht und Unternehmensreorganisation.

 

15. April 2019

 
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