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Regulierte Netze | Haslinger / Nagele, Illustration: Karl-Heinz Wasserbacher

Emissionshandel und Pandemiefolgen


Wie Nachteile aus der COVID-19-Krise bei der Gratiszuteilung verhindert werden können, wenn jetzt – vor dem 30. April 2021 – gehandelt wird.

Auf einen Blick

Wenn Unternehmen, die dem Emissionshandel unterliegen und Anspruch auf Gratiszuteilung von Zertifikaten haben, durch die COVID-19-Pandemie im Jahr 2020 Produktionseinbußen erlitten haben, besteht die Gefahr, dass daraus eine zu geringe Zuteilung von Emissionszertifikaten für die Jahre 2021 und 2022 resultiert. Die Berechnungsmechanik der Zuteilung – konkret die Aktivitätsrate – zieht nämlich jeweils die letzten beiden Jahre als Ausgangsbasis heran. Das bedeutet: Der COVID-bedingte Nachteil verdoppelt sich!

Um diesen Nachteil zu vermeiden, müssen die COVID-bedingten Sondereffekte entweder bei der Datenerfassung oder – falls die Datenerfassung schon abgeschlossen ist – durch Antrag auf entsprechende Korrektur zur Vermeidung einer Fehlzuteilung beim BMK geltend gemacht werden. Konsequenterweise sollte das Jahr 2020 bei der Bestimmung der Aktivitätsrate außer Betracht bleiben.

Was wird für die Geltendmachung benötigt? Eine rechtlich und technisch individuell auf das Unternehmen abgestimmte Beweisführung, um den pandemiebedingten „Einschlag“ nachzuweisen – wir leisten dabei gern Unterstützung.

Wann? Die Korrekturfrist für das BMK läuft am 30. April 2021 ab! Es ist also rasches Handeln geboten.

Problemstellung

Aufgrund der „Corona-Krise” und der damit verbundenen Auswirkungen mussten viele Industriebetriebe in Österreich die Leistung ihrer Produktionsanlagen im Jahr 2020 reduzieren. Gerade bei Industrieanlagen kann es dabei zu langen Stillständen kommen, da technische Bedingtheiten ein kurzfristiges Auf- und Abschalten nicht erlauben. In den Folgejahren droht nun eine geringere Zuteilung kostenloser Emissionszertifikate. Dieses Problem wurde auch auf internationaler und europäischer Ebene bereits erkannt, wie jüngste Berichte der Internationalen Energieagentur oder der Europäischen Umweltagentur zeigen.

Die Konsequenz der geringeren Zuteilung ist nicht sachgerecht, da es sich bei der Covid-19-Pandemie um ein Elementarereignis handelt, dessen Schadensfolgen nicht durch eine unflexible Zuteilungsmechanik potenziert werden sollten. Um dies zu vermeiden, besteht die Möglichkeit, COVID-bedingte Sondereffekte entweder bei der Datenerfassung zu berücksichtigen und/oder eine allfällige Fehlzuteilung seitens der BMK zu korrigieren.

Rechtlich gebotene Berücksichtigung der Covid-19-Pandemie und Korrekturmöglichkeiten der BMK

Die einem Unternehmen zugeteilte Menge an Gratis-Emissionszertifikaten ist nach den europäischen und nationalen Regelungen anzupassen, wenn die durchschnittliche von der historischen Aktivitätsrate um mehr als 15 % abweicht. Eine Berücksichtigung von Elementarereignissen bei der Anpassung der Zertifikatszuteilung ist nicht explizit vorgesehen; die Pflicht zur Berücksichtigung derartiger Ereignisse – zu denen auch die Covid-19-Pandemie zu zählen ist – durch die Behörde im Rahmen ihrer Ermessensübung ergibt sich jedoch bereits aus den allgemeinen Rechtsgrundsätzen:

Auszugehen ist zunächst davon, dass die Pandemie und ihre Auswirkungen auf die Personal- und Anlagenverfügbarkeit – unabhängig davon, ob diese Auswirkungen nun aufgrund gesetzlicher oder faktischer Einschränkungen des Betriebs eintraten – rechtlich als höhere Gewalt einzustufen sind. Dies ergibt sich einerseits aus der Judikatur der obersten Gerichte, andererseits aus der Festlegung des Gesetzgebers (u. a. in § 200b EO). Daneben hat der VfGH für den Bereich des Klimaschutzes deutlich gemacht, dass eine Zurechnung von Emissionsverläufen außerhalb des Einflussbereichs des Betroffenen (und der Republik Österreich) als verfassungswidrig und durch den europäischen Treibhausgashandel als nicht gerechtfertigt anzusehen ist. Eine verfassungsrechtlich gebotene Pflicht zur Anpassung der Zuteilung bei Elementarereignissen wird auch im Schrifttum prominent vertreten (siehe Hauer, ecolex 2009, 997).

Im EZG 2011 selbst finden sich Ansätze für eine Berücksichtigung von Elementarereignissen: Nach § 27 Abs 1 Z 3 besteht im Fall der Stilllegung von Anlagen eine adäquate Möglichkeit der Berücksichtigung von Elementarereignissen wie Naturkatastrophen. Aus unions- und verfassungsrechtlichen Gründen hat dies nicht nur für die endgültige Stilllegung einer Anlage, sondern auch für kurz- und mittelfristige Betriebsunterbrechungen zu gelten, da derartige Unterbrechungen ähnliche Auswirkungen auf den Anlagenbetreiber im Hinblick auf die Zuteilung von Emissionszertifikaten haben. Bereits das EZG idF BGBl I 46/2004 kannte in § 15 eine entsprechende Bestimmung. Demnach waren in Fällen höherer Gewalt auf begründeten Antrag des Anlageninhabers durch den damaligen BMLFUW zusätzliche Emissionszertifikate zu vergeben. Daneben sind gem. § 24c Abs 3 EZG 2011 „begründete Zweifel“ am Datensubstrat möglichst schon bei der Erstellung des Berichts über die jährliche Aktivitätsrate auszuräumen, jedenfalls aber zu vermerken, damit die BMK – darauf gestützt – eine entsprechende Anpassung vornehmen kann.

Weiters sieht die geltende Monitoring-VO 2066/2018 in Art 8 die Vermeidung von Verzerrungen bei der Angabe von Emissionsdaten zur Berechnung der Anlagenaktivität vor. Demnach tragen die Anlagenbetreiber dafür Sorge, dass hinreichende Gewähr für die Integrität der mitzuteilenden Emissionsdaten besteht. U. a. haben sie alles zu tun, um jegliche Verzerrungen zu vermeiden. Die Emissionsberichte haben eine glaubwürdige und ausgewogene Darstellung der Emissionen einer Anlage zu gewährleisten.

Die Buchung der kostenlosen Emissionszertifikate auf das Konto eines Anlagenbetreibers erfolgt jährlich bis 28.02. Danach kommt der BMK – insbesondere gem. § 24c Abs 2 EZG 2011 – eine Korrekturmöglichkeit zu, die jeweils bis 30.04. auszuüben ist. Unter Berücksichtigung des Berichtes über die jährliche Aktivitätsrate des Vorjahres oder einer Schätzung ist die Zuteilung durch die BMK entsprechend anzupassen. Diese Anpassung ist der Europäischen Kommission zu notifizieren. Diese Möglichkeit ist insb. für Korrekturen der Zuteilungsmenge iZm der oben genannten 15 % Schwelle vorgesehen. Der BMK wird dadurch die Möglichkeit eingeräumt, allfällige Fehlzuteilungen zu korrigieren und ihr Ermessen in verfassungskonformer Weise zu üben. Um eine Minderzuteilung aufgrund der – wie gezeigt – nicht repräsentativen, pandemiebedingten Sondereffekte des Jahres 2020 zu vermeiden, bietet sich in methodischer Hinsicht dafür eine Vorgehensweise an, bei der das gesamte Jahr 2020 wegen der genannten Sondereffekte außer Betracht bleibt und für die Bestimmung der Aktivitätsrate für 2021 entweder nur das Jahr 2019 (so der Ansatz der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation ICAO) oder die Jahre 2018 und 2019 herangezogen werden. Auch in den Folgejahren müsste konsequenterweise das Jahr 2020 außer Betracht bleiben. Für 2022 müsste daher der Durchschnitt der Jahre 2019 und 2021 herangezogen werden.

Für die Beantwortung von Fragen zu diesen Themen stehen Ihnen unsere Experten Wilhelm Bergthaler und Johannes Hartlieb gerne telefonisch oder unter akut@hnp.at zur Verfügung.

Dieser Beitrag stellt lediglich eine allgemeine Information dar und ersetzt keine Rechtsberatung. Die Haslinger / Nagele Rechtsanwälte GmbH übernimmt keine Haftung für Inhalt und Richtigkeit dieses Beitrages.

 

17. März 2021

 
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