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Die Digitalisierung macht bekanntlich nicht – vor allem nicht – vor dem Gesundheitswesen halt. Spätestens seit in Deutschland die „App auf Rezept“ eingeführt wurde, wird die Möglichkeit der Verschreibung und Erstattung von Gesundheits-Apps – „digitalen Gesundheitsanwendungen“ – auch in Österreich breit diskutiert.
Ein erster Schritt, der den politischen Willen einer entsprechenden Etablierung zeigt, wurde 2023 durch den „Digital Austrian Act“ gesetzt. In Punkt 7 dieses Dokuments (abrufbar hier) befindet sich ein eigener Punkt für „Digitales Gesundheitswesen“. Ein zentraler Bestandteil dieses Unterkapitels sind die „digitalen Gesundheitsanwendungen“. So wurde bereits 2023 festgelegt, dass ihre Verschreibung in Zusammenarbeit mit der Sozialversicherung ermöglicht werden und die telemedizinische Versorgung ergänzen soll.
Dieser deutliche politische Wille zur Etablierung digitaler Gesundheitsanwendungen setzt sich auch in der österreichischen e-Health Strategie (abrufbar hier), welche im Juli 2024 präsentiert wurde, fort. Dort wird ein erster Definitionsversuch unternommen aber auch auf die derzeit bestehende rechtliche Unsicherheit verwiesen. Neben einer Vielzahl anderer Maßnahmen, die zur Digitalisierung des Gesundheitssystems beitragen sollen, wird hier auch festgehalten, dass Gesundheitsdiensteanbieter:innen „gemeinsam mit Patientinnen und Patienten Entscheidungen über passende digitale Gesundheitsanwendungen, etwa eine die Therapie unterstützende Gesundheits-App“ treffen sollen. Doch wie weit ist der Weg dorthin – ist die Erstattung solcher Anwendungen durch die Sozialversicherung nicht bereits schon jetzt möglich?
Während die produktrechtliche Einordnung von „DiGAs“ im Medizinproduktrecht auf den ersten Blick weniger Probleme verursacht, zeigt ein Blick in das Sozialversicherungsrecht, konkret das ASVG, dass hier – trotz der sehr deutlichen politischen Willensbekundungen – entsprechende Bestimmungen über digitale Produkte fehlen.
Allerdings ergibt die Analyse der vorhandenen Literatur und Judikatur, dass sich „DiGAs“ unter Umständen unter den Begriff der „sonstigen Mittel“ nach § 136 ASVG und jedenfalls unter den Begriff „Sonstige notwendige Heilbehelfe“ nach §137 ASVG einordnen lassen. Patient:innen könnten daher bereits jetzt unter bestimmten Voraussetzung die Kostenerstattung begehren, wenn sie für eine ärztlich verordnete Gesundheits-App bezahlen, auch wenn entsprechende rechtliche Rahmenbedingungen für eine Sachleistungsgewährung noch fehlen. Jedenfalls müssen aber die Voraussetzungen des § 133 Abs 2 ASVG erfüllt sein, das bedeutet, dass die „DiGA“ notwendig und zweckmäßig sein muss, ohne das Maß des Notwendigen zu überschreiten. (Näher zum Ganzen in Ernst/Gabauer, „Digitale Gesundheitsanwendungen“ in Österreich“ RdM 2023). Die Praxis der Sozialversicherungsträger dürfte es derzeit sein, entsprechende Anträge abzulehnen. Eines steht somit fest: Damit Sachleistungsgewährung gewährleistet werden kann – also die App bei Verschreibung direkt von der Sozialversicherung erstattet wird – fehlt es noch an einigen Klarstellungen und Ergänzungen im Rechtsrahmen.
Trotz der politischen Vorstöße ist also die App auf Rezept noch keine Realität. Auch wenn die Schrauben, die gestellt werden müssten, vor dem Hintergrund der aktuellen Rechtslage vermutlich nur kleine sind, wäre eine gesetzliche Verankerung wünschenswert, damit für Patient:innen, die Anbieter:innen der Produkte sowie die Sozialversicherungsträger Rechtssicherheit besteht.
Im Rahmen eines aktuell laufenden Pilotprojeks sind sich die zuständigen Stakeholder aber bereits über einige wichtige Eckpfleiler einig geworden. So soll die AGES neben anderen Akteuren wie den Sozialversicherungsträgern, dem Dachverband und der Gesundheit Österreich GmbH zentrale Zuständigkeiten übernehmen. Die verschiedenen „Assessment-Domänen“ des zu etablierenden Verfahrens sollen etwa die Prüfung von Datenschutz, Sicherheit, Interoperabilität und medizinischem Nutzen umfassen. Zudem ist eine Pre-Evaluierung vorgesehen, durch die die Erstattung einer DiGA frühzeitig geprüft wird. Darauf aufbauend soll ein Bewertungsprozess durchlaufen werden. Bis Februar 2025 wird das Konzept finalisiert und ab 2026 sollen dann erste DiGAs erstattet werden.
Es bleibt somit abzuwarten, ob diese Schritte wie geplant verwirklicht werden können und die nächste Regierung den Ergebnissen des Pilotprojekts Rechnung tragen und den Programmen des Digital Austrian Act und der österreichischen e-Health Strategie treu bleiben wird. Eine rechtliche Verankerung des Prozesses ist unumgänglich, um für Rechtssicherheit für alle Beteiligten zu sorgen.
Gerne halten Sie unsere Gesundheitsrechtsexepert:innen zu all diesen Entwicklungen auf dem Laufenden und stehen für weitere Fragen zu diesen Themen sowie Unterstützung in der Praxis zur Verfügung. Näheres zu einem Vortrag von Gisela Ernst zum Thema finden Sie unter: 6. Praevenire Digital Health Symposion – Digitale Gesundheitsanwendungen im Fokus | DigitalDoctor (medmedia.at)
Ein weiteres Update erwartet Sie im Rahmen der pharmaKon 2024.
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14. November 2024