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Aufgriffsrechte: Eingeschränkte Gestaltungsmöglichkeiten


Worum geht es?

Aufgriffsrechte ermöglichen es Gesellschaftern, bei Eintreten bestimmter Bedingungen von einem Mitgesellschafter die Übertragung seines Geschäftsanteils (gegen Bezahlung) zu verlangen. Bedingung kann etwa die Insolvenz eines Gesellschafters sein. Solche Regelungen sind in der Praxis gang und gäbe: Dadurch soll verhindert werden, dass im Falle eines insolventen Gesellschafters dessen Geschäftsanteil vom Insolvenzverwalter versteigert und ein fremder Mitgesellschafter der GmbH wird. Eine solche Regelung schützt die bestehenden Gesellschafter, damit diese „unter sich“ bleiben können und keine fremden Dritten – ohne Zustimmung der übrigen Gesellschafter – Teil des Gesellschafterkreises werden können.

Der Anlassfall – Aufgriffsrecht in der Insolvenz des Mitgesellschafters

Die Zulässigkeit von derartigen Aufgriffsrechten im Fall der Insolvenz eines Gesellschafters war durchaus umstritten. In einer mit Spannung erwarteten Entscheidung (6 Ob 64/20k) hat der OGH zunächst ausgesprochen, dass gesellschaftsvertraglich vereinbarte Aufgriffsklauseln für den Insolvenzfall eines GmbH-Gesellschafters grundsätzlich wirksam vereinbart werden können. Wichtig ist aber, dass bei der Gestaltung des Preises für den Geschäftsanteil die Ausscheidensfälle gleich behandelt werden, die Gläubiger geschützt werden und die Preisgestaltung nicht sittenwidrig ist.

Was bedeutet „Gleichbehandlung“?

Gerade die nunmehr geforderte Gleichbehandlung der Ausscheidensfälle bereitet jedoch in der Praxis erhebliche Probleme: In vielen Gesellschaftsverträgen sind nämlich nicht nur viele verschiedene Aufgriffsfälle vorgesehen (z. B. Ausschluss eines Gesellschafters aus wichtigem Grund, Tod eines Gesellschafters, freiwilliger Austritt eines Gesellschafters), sondern für diese unterschiedlichen Aufgriffsfälle sind auch unterschiedliche Abfindungspreise vereinbart. So sehen viele Gesellschaftsverträge standardmäßig für den Insolvenzfall einen Abschlag iHv. 20% vom Verkehrswert vor, beim freiwilligen Austritt eines Gesellschafters finden sich in der Praxis auch oft noch größere Preisabschläge.

Deshalb war aufgrund der OGH-Rechtsprechung zunächst unklar, wie weit die geforderte „Gleichbehandlung“ der Aufgriffsfälle reicht: Müssen alle gesellschaftsvertraglichen Aufgriffsfälle die gleiche Abschlagshöhe aufweisen? Sind auch Fälle wie die freiwillige Anteilsübertragung (Verkauf eines Geschäftsanteils) von der Gleichbehandlung umfasst?

Der OGH hat nun zu diesem Thema endgültig Klarheit geschaffen (6 Ob 86/21x): Die Gleichbehandlung soll in der Tat sämtliche Fälle eines Gesellschafterwechsels treffen, womit es unzulässig ist, wenn für nicht von Aufgriffsrechten betroffene Fälle des Gesellschafterwechsels der für Aufgriffsrechte vereinbarte Abtretungspreis nicht gilt und unterschiedlich vereinbart werden könnte.

Erhebliche Auswirkungen auf die Vertragspraxis – Alte Gesellschaftsverträge zum TÜV

Die Konsequenzen dieser beiden OGH-Entscheidungen auf bestehende Gesellschaftsverträge sind weitreichend: Selten (bis nie) wurden Gesellschaftsverträge so gestaltet, dass der für den Insolvenzfall vorgesehene Preisabschlag auch für sämtliche Fälle des Gesellschafterwechsels (inklusive der freiwilligen Anteilsveräußerung) vorgesehen ist. Sind die Preisabschläge unterschiedlich, droht die (Teil-)Nichtigkeit und damit die Unwirksamkeit der entsprechenden Aufgriffsregelung. Weiters ist penibel darauf zu achten, dass die im Gesellschaftsvertrag vereinbarten Aufgriffsfälle den von der Rechtsprechung skizzierten Kriterien der Gleichbehandlung entsprechen.

Gibt es noch einen Spielraum für Gestaltungen?

Unseres Erachtens: Ja, wenn auch sehr eingeschränkt, etwa für den Fall des Todes eines Gesellschafters. Hier ist allerdings darauf zu achten, dass für die Erben und Pflichtteilsberechtigten in einem Testament vorgesorgt ist. Um späteren Streitigkeiten im Familienkreis vorzubeugen, empfiehlt es sich den Gesellschaftsvertrag und die (erbrechtliche) Nachfolgeregelung für das Unternehmen aufeinander abzustimmen.

Gesellschaftsverträge sind im Hinblick auf die konkrete Ausgestaltung von Aufgriffsrechten zu überprüfen und anzupassen, damit es im Aufgriffsfall nicht zu einem bösen Erwachen kommt.

Für die Beantwortung weiterer Fragen zu diesem Thema stehen Ihnen unsere Expertin Daniela Huemer und unser Experte Alexander Müller aus dem Team Unternehmens- und Gesellschaftsrecht gerne zur Verfügung. Zudem erscheint in Kürze ein ausführlicher Beitrag in einer Fachzeitschrift zu diesem Thema.

Disclaimer

Dieser Beitrag stellt lediglich eine allgemeine Information dar und ersetzt keine Rechtsberatung. Die Haslinger / Nagele Rechtsanwälte GmbH übernimmt keinerlei Haftung für Inhalt und Richtigkeit dieses Beitrages.

 

24. November 2021

 
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